Vorwürfe schlagen hohe Wellen

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Blümel weist alle Vorwürfe zurück. Die Causa um Novomatic warf am Donnerstag zahlreiche Fragen auf, darunter auch politische. Die Opposition forderte geschlossen Blümels Rücktritt. Politologe Peter Filzmaier bezeichnete das als „logische Diskussion“ und sah ein „schwarzes 2021“ für die ÖVP.

Vorwürfe schlagen hohe Wellen

Die juristische Unschuldsvermutung für Blümel sei richtig und wichtig, so Filzmaier gegenüber der ZIB2. Er verwies allerdings darauf, dass das Finanzministerium für die Glücksspielaufsicht zuständig ist. Bei einem Vorwurf der Bestechlichkeit durch einen Glücksspielkonzern stehe die Frage der Unvereinbarkeit und der Handlungsfähigkeit im Raum, und die Opposition forderte auch dementsprechend den Rücktritt. An einen solchen glaube er, Filzmaier, aber derzeit nicht.

Blümel habe schon länger mit schlechten Vertrauenswerten zu kämpfen. Die Causa sei aber nicht nur ein Problem für die ÖVP, sondern auch für den grünen Koalitionspartner. Die Opposition könnte auch einen Misstrauensantrag gegen Blümel stellen und damit die Grünen in Bedrängnis bringen. Der Koalitionspartner hatte erst kürzlich zwei Misstrauensanträge gegen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) abgelehnt. Die Causa Blümel würde die Grünen vor die nächste Herausforderung stellen.

Man erlebe eine „fortgesetzte Tragikomödie: die Parteien und das liebe Geld“, so Filzmaier. Das komödiantische Element sei dabei, dass einfach via Textnachricht lobbyiert werde. Es fehlten nach wie vor Sanktionen für Parteienvertreter, wenn sie Spenden an die Partei oder parteinahe Vereine nicht angeben. Der Rechnungshof könne nach wie vor nicht überprüfen, was in den Konten der Parteien geschehe.

Auch Ex-Staatsanwalt Georg Krakow, Vorstandsmitglied von Transparency International, forderte mehr Handhabe gegen verdeckte Parteienspenden, eine Reform des Korruptionsstrafrechts und effektivere Kontrollen durch den Rechnungshof. Dafür brauche es auch eine Änderung des Parteiengesetz.

Politberater Hofer sieht schwere Krise

Es sei eine schwere Krise, sagte der Politberater Thomas Hofer im Ö1-Morgenjournal am Freitag, und diese beeinflusse den Finanzminister, die gesamte ÖVP – beziehungsweise die Bundesregierung – auch in ihrem Agieren. Das sei nichts, was man so einfach wegschieben könne. Die „Einschläge“ kämen jetzt sehr nahe – auch an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), denn Blümel sei einer von dessen engsten Vertrauten. Die Causa sei für die gesamte ÖVP eine echte Belastungsprobe.

Hofer glaubt, dass die Grünen das „mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen“. Lachend, da jetzt „quasi die ÖVP derzeit das Bummerl hat, und nicht wie beim Thema Abschiebungen die Grünen massiv unter Druck sind“, so Hofer. Ad weinendes Auge dürfe man nicht vergessen, dass die Grünen in der Regierung sind, und wenn jetzt ein Misstrauensantrag gegen den Finanzminister komme, ihm die Grünen wieder klarerweise zur Aufrechterhaltung der Koalition „die Stange halten müssten“.

Das sei etwas, worin SPÖ und NEOS als Oppositionsparteien den Grünen bei einem ihrer Kernthemen – Stichwort Transparenz, Stichwort Antikorruption – Zielgruppen streitig machen könnten „und die Grünen nicht so agieren können, wie wenn sie noch in Opposition wären“, so Hofer.

Blümel und zwei weitere Beschuldigte

In der Causa geht es um ein mögliches Spendenangebot des Glücksspielkonzerns Novomatic. Blümel wird dabei als Beschuldigter geführt. Die WKStA hatte am Donnerstag in dem Fall mehrere Hausdurchsuchungen durchgeführt. „Den Ermittlungen liegt der Verdacht zugrunde, dass ein Verantwortlicher eines Glücksspielunternehmens Spenden an eine politische Partei im Gegenzug für die Unterstützung von Amtsträgern der Republik Österreich bei einer dem Unternehmen drohenden Steuernachforderung im Ausland angeboten habe“, erklärte die WKStA.

„Im Zuge dieser Ermittlungen fanden heute Hausdurchsuchungen an mehreren Standorten in Privat- und Unternehmensräumlichkeiten statt“, so die WKStA am Donnerstag weiter und sie hielt fest: „Die Hausdurchsuchungen wurden gerichtlich bewilligt und vorab der Oberstaatsanwaltschaft Wien berichtet.“

Blümel weist alle Vorwürfe zurück

Blümel wies am Donnerstagabend in einer kurzfristig angesetzten Stellungnahme gegenüber der Presse alle Vorwürfe zurück. Er sagte, dass ihn der damalige Novomatic-Chef Harald Neumann vor fast vier Jahren zu einem Gespräch über Spenden an die ÖVP gebeten habe. Allerdings habe die ÖVP unter ihm als Chef der Wiener Landespartei und unter Kurz als Parteichef nie Spenden von Glücksspielunternehmen, Waffenproduzenten und Tabakkonzernen angenommen. Das lasse sich durch die öffentlich einsehbaren Spendenlisten der ÖVP beweisen, die auch vom Rechnungshof geprüft würden. Blümel war damals Wiener Stadtrat, Kurz Außenminister.

Eine konkrete Nachfrage nach Spenden an Vereine blieb unbeantwortet. Gefragt, ob es Spenden von Novomatic an Vereine gab, sagte Blümel: „Seitdem ich Landesparteiobmann der ÖVP Wien bin und seitdem Sebastian Kurz Bundesparteiobmann ist, hat es keine Spenden der Novomatic an die Landespartei Wien oder an die Bundespartei gegeben.“ Bei der nochmaligen Nachfrage nach Spenden an Vereine beendete Blümel die Pressekonferenz.

Zuvor hatte der Finanzminister noch betont, die Ermittlungen seien eine „unangenehme Situation“, die er sehr ernst nehme, aber auch leicht aufzuklären. Rücktrittsaufforderungen werde er angesichts dessen „sicher nicht nachkommen“. Auch eine temporäre Vertretung stehe nicht zur Debatte. Bereits zuvor hatte Blümel von einem „guten Gespräch“ mit dem Staatsanwalt und einer „freiwilligen Nachschau“ bei ihm zu Hause gesprochen. Dabei wurden Unterlagen und elektronische Geräte sichergestellt.

Die Razzia muss bereits länger geplant gewesen sein, für eine Hausdurchsuchung braucht es nämlich eine richterliche Anordnung. Wie der „Standard“ (Donnerstag-Ausgabe) berichtete, soll die WKStA deshalb auch nicht glücklich gewesen sein, dass Blümels Beschuldigtenstatus im Casinos-Akt vor zwei Tagen medial bekanntwurde.

Verdacht der illegalen Spende

Nach Recherchen des ORF und des Nachrichtenmagazins „profil“ hegte die WKStA den Verdacht, der damalige Novomatic-Chef Neumann habe Blümel bzw. der ÖVP 2017 eine Spende angeboten – im Abtausch dafür sollte Blümel dem Glücksspielkonzern bei der Lösung von Problemen in Italien zur Hand gehen. Dabei soll es um Steuernachzahlungen von bis zu 60 Millionen Euro gegangen sein.

Ihrem Ausgang nahm die Hausdurchsuchung mit einer SMS aus dem Juli 2017, in der Neumann bei Blümel um einen Termin im Außenministerium ersuchte – und zwar beim damaligen Außenminister Kurz. Damals war Blümel Stadtrat in Wien. Am 12. Juli 2017 schrieb Neumann an Blümel: „Bräuchte kurzen Termin bei Kurz. 1) wegen Spende 2) wegen des Problems, das wir in Italien haben.“ Anschließend soll er sich an Thomas Schmid gewandt haben, damals Generalsekretär im Finanzministerium, und zwar mit dem Wunsch, er möge Neumann anrufen. Neumann trat im Februar 2020 als Novomatic-Vorstand zurück und gab familiäre Gründe als Auslöser dafür an.

Steuernachzahlung in Italien

Tatsächlich hatte die Novomatic im ersten Halbjahr 2017 ein Problem mit den italienischen Finanzbehörden. Wie dem Halbjahresfinanzbericht der Novomatic zu entnehmen ist, hatte die italienische Tochter Novomatic Italia S.p.a. am 5. April 2017 Besuch von der italienischen Steuerpolizei. Diese monierte, dass die Italien-Tochter Lizenzgebühren an die Novomatic Gaming Industries GmbH gezahlt und damit ihre Steuergrundlage in Italien minimiert habe.

Ein rechtskräftiger Steuerbescheid lag bei der Erstellung des Halbjahresfinanzberichts noch nicht vor. In der Folge musste Novomatic aber etwas mehr als 20 Millionen Euro Steuern in Italien nachzahlen. Neumann ist derzeit im Ausland. „Bei der Spende handelte es sich nach Erinnerung meines Mandanten um eine karitative Sache, völlig losgelöst von dem Italien-Thema“, sagte Neumanns Anwalt Norbert Wess zur SMS von Neumann an Blümel.

„Projekt Ballhausplatz“

Laut „Standard“ stellten die Ermittler die Kommunikation zwischen Blümel und Neumann in ihrer Durchsuchungsanordnung in einen Zusammenhang mit der damaligen Neuaufstellung der ÖVP. Kurz hatte die Partei im Mai 2017 übernommen, die Machtübernahme war zuvor von seinem Umfeld geplant worden. Dazu existieren Dokumente, die unter dem Namen „Operation Ballhausplatz“ bekannt sind. Laut der Ermittlungsanordnung kam es „im Zuge des Projekts ÖVP neu“ im Frühjahr 2017 zu einem Treffen zwischen Kurz, Neumann und dem damaligen Novomatic-Sprecher.

Dieser schrieb danach in Chats an Neumann, dass Kurz die „Finanzierung der Bundespartei“ offenbar „vergessen“ habe, dort sei es „ziemlich trist“. Zwei Wochen später soll sich Neumann dann intern dafür eingesetzt haben, dass offene Parteispenden zulässig seien. Im Juli 2017 schrieb der Novomatic-Sprecher seinem Chef, dass der ÖVP-Spender Stefan Pierer die Summe aller Kleinspenden an die Partei „verdoppeln“ wolle. „Wir haben noch etwas Besseres vor :))“, soll Neumann geantwortet haben.

Anwalt Wess teilte unterdessen mit, dass sein Mandant festhalte, „dass es weder von ihm persönlich noch vonseiten der Novomatic AG Spenden an politische Parteien, sohin auch nicht an die ÖVP, gegeben hat. Eine etwaige Spende wurde von meinem Mandanten – insbesondere in Zusammenhang mit einer allfälligen Thematik mit Italien – zu keiner Zeit versprochen, angeboten oder auch nur in Aussicht gestellt. Mag. Neumann weist sämtliche Vorwürfe entschieden zurück und ist davon überzeugt, dass es rasch zu einer Aufklärung dieser falschen Rückschlüsse kommt.“

Opposition fordert Blümels Rücktritt

Die Opposition forderte angesichts der Ermittlungen gegen Blümel rasche Konsequenzen. Bereits am Dienstag hatte sie Blümel rücktrittsreif gesehen, am Donnerstag erneuerte sie diese Forderung. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sah einen „Korruptionssumpf”, NEOS-Chefin Beate Meinl-Resinger betonte, Blümel müsse nach der Hausdurchsuchung Konsequenzen ziehen und zurücktreten. FPÖ-Chef Norbert Hofer ortete eine „besorgniserregenden Entwicklung“. Er forderte gar den Rücktritt der gesamten Bundesregierung. Der grüne Koalitionspartner blieb vorerst zurückhaltend und verwies auf die Ermittlungen.

Ermittlungen gegen mehrere Politiker und Vorstände

Kern der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind die Bestellung des Ex-FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum Casinos-Finanzvorstand und mögliche Absprachen im Hintergrund. Es besteht der Verdacht, Novomatic habe sich für die Bestellung von Sidlo zum Casinos-Finanzchef nur deshalb eingesetzt, weil im Gegenzug die FPÖ ein Entgegenkommen bei der Vergabe von Lizenzen versprochen habe.

Novomatic war damals einer der drei bestimmenden Aktionäre der Casinos Austria AG, verkaufte seinen Anteil unterdessen an den nunmehrigen tschechischen Mehrheitseigentümer Sazka Group. Die Staatsholding ÖBAG hält 33,24 Prozent an dem Glücksspielkonzern.

Blümel war zu dieser Zeit der ÖVP-FPÖ-Koalition Kanzleramtsminister von Kurz. Ermittelt wird unter anderen auch gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Ex-Novomatic-Chef Neumann. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung./ORF

Yayınlama: 12.02.2021
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