Syrien nahm im zweiten Weltkrieg zehntausende europäische Flüchtlinge auf
Im zweiten Weltkrieg mussten hunderttausende Menschen ihre Heimat verlassen und wurden zu Flüchtlingen, um sich anderswo in Sicherheit zu bringen. Sie fanden auch in Syrien Schutz, was heute in Vergessenheit geraten ist. Jetzt suchen die Enkel und Urenkel derer bei uns Schutz, die damals mit offenen Armen die Vertrieben empfangen haben. Zehntausende sitzen im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos fest. Das Lager ist mittlerweile niedergebrannt und die Menschen haben das Wenige
Von Jakob Zerbes
Als die Nazis große Teile Osteuropas und des Balkans besetzten, wurden unzählige Zivilsten vertrieben. In den besetzten Gebieten waren Juden und andere unerwünschte Minderheiten, aber auch jene, die im Verdacht standen, Partisanenkämpfer zu unterstützen, Gegenstand gezielter Angriffe und Zwangsevakuierungen.
Sie mussten fliehen – und versuchten im Süden und Osten Schutz zu finden. Die Kroaten, die entlang der dalmatinischen Küste lebten, flohen auf die Adria-Insel Vis griechische Bewohner des Dodekanes, einer Inselkette in der Ägäis, fanden auf Zypern den Weg unter britischem Schutz.
Großbritannien gründete 1942 die „Middle East Relief and Refugee Administration“. Sie organisierte die Versorgung von etwa 40.000 Polen, Griechen und Jugoslawen, und ihre Verteilung auf Lager in Ägypten, Südpalästina und Syrien verteilt. Aleppo in Syrien war – als alte und blühende Metropole – bereits in den 1940er Jahren ein wahrer Knotenpunkt von Emigranten, Exilanten – und auch Spionen.
FLÜCHTLINGSLAGER IM NAHEN OSTEN
Die Ankunft in diesen Flüchtlingslagern verlief so: Nach der Registrierung durchliefen die Neuankömmlinge eine gründliche medizinische Untersuchung.
Dort wurden Kleidung und Schuhe gewaschen, bis die Beamten sie für ausreichend desinfiziert befanden. Waren die Geflüchteten gesund genug, wurden sie ins echte Lager gebracht und dort in Wohnbereiche für Familien, unbegleitete Kinder, alleinstehende Männer und Frauen aufgeteilt. Sobald sie einem bestimmten Teil des Lagers zugewiesen waren, hatten die Flüchtlinge nur wenige Möglichkeiten, sich nach draußen zu begeben.
Gelegentlich konnten sie unter der Aufsicht von Lagerbeamten Ausflüge unternehmen.
Wenn in Syrien die Flüchtlinge im Lager Aleppo den mehrere Meilen langen Weg in die Stadt gingen, besuchten sie zum Beispiel Geschäfte, um Grundbedarf zu kaufen, sahen sich einen Film im örtlichen Kino an – oder lenkten sich einfach von der Monotonie des Lagerlebens ab. Das Lager in Moses Wells in Ägypten lag nicht in Laufnähe zu einer Stadt, dafür konnten die Flüchtlinge jeden Tag einige Zeit im nahe gelegenen Roten Meer baden.
Die Bedingungen waren zwar ärmlich, aber es gab Spiel- und Sportplätze und andere Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung die Bewohner konnte dort ihren Lebensunterhalt verdienen oder auch ein Handwerk erlernen. Allerdings gab es auch Fälle in denen die Flüchtlinge gezwungen waren, niedere Arbeiten aufzunehmen. Lebensmittel waren rationiert, aber die Flüchtlinge konnten ihre Vorräte in örtlichen Geschäften kaufen.
SCHULEN FÜR FLÜCHTLINGSKINDER
In den Flüchtlingslagern im Nahen Osten waren die Klassen überfüllt – trotzdem bekamen die geflüchteten Kinder auch schulische Bildung. Man bemühte sich eine freundliche Umgebung zu schaffen. In Nuseirat zum Beispiel fertigte ein geflüchteter Künstler viele Gemälde an. Er hängte sie an die Wände eines Kindergartens im Lager, wodurch die Klassenräume „hell und fröhlich“ wurden. Wohlhabende Menschen in der Gegend spendeten Spielzeug, Spiele und Puppen für den Kindergarten, was einen Lagerbeamten dazu veranlasste, zu bemerken, dass er „im Vergleich zu vielen in den Vereinigten Staaten günstig ist“.
ZWISCHEN 114.000 UND 300.000 POLNISCHE FLÜCHTLINGE IM IRAN
Der Iran hat zwischen 1939 und 1941 Polen, die vor dem nationalsozialistischen Gemetzel und den sowjetischen Arbeitslagern fliehen mussten, aufgenommen. Sie erreichten schwach und oft erkrankt die iranischen Ufern des Kaspischen Meeres. Sie wurden von den Iranern weitgehend mit offenen Armen empfangen.
„Die freundlichen Perser drängten sich um die Busse und riefen, was wohl Begrüßungsworte gewesen sein müssen, und schoben Geschenke wie Datteln, Nüsse, geröstete Erbsen mit Rosinen und saftige Granatäpfel durch die offenen Fenster“, erinnerte sich ein polnischer Lehrer, der in der Stadt Isfahan wohnte.
Letztendlich kehrten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die meisten europäischen Flüchtlinge aus dem Nahen Osten entweder in ihre Heimat zurück oder zogen um. In Europa erinnert man sich heute kaum mehr daran: Gerade in der aktuellen Debatte über muslimischer Migranten kommen diese Erzählung nicht vor.
Eine amerikanische Wochenschau aus dieser Zeit zeigt ein vom amerikanischen Roten Kreuz ausgestattetes polnisches Flüchtlingslager im Norden des Iran. Die Polen konnten auch auf der Flucht vor dem Krieg ihre Sprache und ihre Bräuche am Leben erhalten, während sie „den alten Boden Persiens bearbeiten“./ kontrast.at