Europol-Chefermittler: „Ich befürchte, dass es wieder ein Parndorf gibt“
Neue Schlepper-Routen und Professionalisierung der Banden sorgen bei der Polizei für Befürchtungen.
In den vergangenen Tagen versuchten sich Polizisten von Griechenland bis zu Niederlanden als professionelle Schlepper.
Ziel war es, die Balkanroute auszubauen und so viel Geld wie möglich mit dem Transport von Asylsuchenden und Drogen zu verdienen.
In einem Saal des Innenministeriums in der Wiener Herrengasse versuchten sich die Beamten an diesem Planspiel.
„Es ging darum, wie schütze ich mich vor der Polizei und baue einen Verteidigungsring, ohne erwischt zu werden“, erklärt der österreichische Europol-Mann Christian Jechoutek.
„Es ging für uns darum, alles einmal von der anderen Seite aus zu sehen“, sagt Gerben Wijnja von der niederländischen Polizei.
Das alles hat einen ernsten Hintergrund.
Europol beobachtet neue Trends auf dem Gebiet des Menschenschmuggels und befürchtet, dass die Flüchtlingszahlen erstmals seit der Flüchtlingskrise wieder nach oben gehen werden.
„Allein 70.000 Menschen sind aktuell auf griechischen Inseln“, erklärt Gerald Tatzgern, oberster Schlepper-Bekämpfer im Bundeskriminalamt.
In die Schlepperei steigen immer mehr so genannte polykriminelle Banden ein.
Das heißt, dass de facto ein Transportweg unterhalten wird. Je nach Lage werden Menschen, Waffen oder Drogen transportiert.
Mitunter auch beides zusammen. Dabei wird wirtschaftlich berechnet, wie viel Raum wie viel Gewinn abwirft.
„Erst im Mai wurden wieder zweit Tote in einem Container entdeckt. Ich befürchte, dass es wieder ein Parndorf gibt“, sagt Gabor Stankovic, Leiter des Menschenschmuggelzentrums bei Europol.
Zur Erinnerung: Im August 2015 erstickten 71 Menschen in einem Kühltransporter auf der burgenländischen Autobahn.
Billigflüge statt Boote
Dabei ist die Balkanroute noch vergleichsweise sicher, wie auch die kuriosen Hintergründe der enorm wachsenden neuen Route von Marokko und Tunesien nach Spanien zeigt. Denn über diese werden die Zentralafrikaner nach Europa geschleust.
Doch die Asylwerber aus Marokko und Tunesien wollen die gefährliche Schiffspassage nicht auf sich nehmen – sie fliegen mit Billigflügen in die Türkei und starten von dort aus über den Balkan.
Stetig wächst auch das Wissen der Polizei über die Geldströme in Milliardenhöhe.
Eine der Hauptzentralen dabei ist die Türkei, von der das Geld an die Transporteure am Balkan weiterverteilt wird.
Da viele Asylwerber aus Europa wieder Geld an ihre Familien in den Herkunftsländern schicken, ist das Interesse an einer Bekämpfung mancherorts gering.
„Ein Wunsch wären Gespräche der EU mit der Türkei über die Abschöpfung krimineller Gewinne in der Türkei“, meint Tatzgern.
Das große Problem bei der Bekämpfung ist, dass der Großteil des Geldes und der Aktivitäten außerhalb der EU passieren.
Das Geld für das Planspiel etwa kam deshalb von Frontex, weil es an den Außengrenzen oft erst die Möglichkeit gibt, wirksam gegen die Menschenschlepper vorzugehen./kurier.at