Auf dem Weg zum Überwachungsstaat: Man kann ja nie wissen
Man ist heute öfter auf Überwachungsbildschirmen, als es einem überhaupt bewusst ist
Im Umgang mit der Privatsphäre sind die Österreicherinnen und Österreicher nicht sehr konsequent: Bei vielen Facebook-Nutzern liegen persönliches Umfeld und politische Gesinnung für jedermann einsehbar offen – aber es sind oft dieselben Personen, die verschnupft reagieren, wenn man sie darauf anspricht.
Für Gewinnspiele werden Daten bedenkenlos hergegeben, aber dieselben Informationen werden bei nächster Gelegenheit wieder als höchst privat versteckt.
Man kann ja nie wissen, was damit passiert.
Besonders bizarr ist der Umgang mit allem, was Finanzen betrifft: Was man verdient, soll keiner wissen, was man um das sauer verdiente Geld als Statussymbol angeschafft hat, wird umso stolzer hergezeigt. Und ganz geheim soll das Sparbuch sein.
Als das Finanzministerium vor einem Vierteljahrhundert das Bankgeheimnis zu lockern begonnen hat, hat es die Motive erforschen lassen, die Menschen so an der Geheimhaltung ihrer finanziellen Verhältnisse hängen lassen: Dabei geht es nicht so sehr darum, das Vermögen vor dem Staat zu verstecken – vielmehr ist es den Leuten ein Anliegen, dass die liebe Verwandtschaft nicht so genau weiß, wen man anbetteln oder von wem man eine Erbschaft erwarten kann.
Bitte lächeln!
Die Republik hat mit mehr oder weniger guten Argumenten (Kampf gegen Geldwäsche klingt immer gut, Kampf gegen Kinderpornos und Kindesmissbrauch klingt noch besser) anonyme Konten abgeschafft.
Und mit ähnlich schlaumeierischer Argumentation geht es nun darum, die Anonymität im öffentlichen (Vermummungsverbot) und im virtuellen (Registrierungspflicht) Raum einzuschränken.
Und: Bitte lächeln!
Man ist heute öfter auf Überwachungsbildschirmen, als es einem überhaupt bewusst ist.
Wobei sich der gelernte Österreicher zwar größte Sorgen um seine Privatsphäre macht, wenn eine private Kamera den Zugang zur Wohnhausanlage oder auch nur zu deren Müllraum im digitalen Auge behält.
Achselzuckend wird dagegen zur Kenntnis genommen, wenn Behörden auf Aufzeichnungen von Fahrbewegungen oder der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zugreifen.
Man muss dem amtierenden Innenminister nichts Böses unterstellen, wenn er seine Beamten allerlei Informationen aus Video- und Internetquellen mit vorhandenem behördlichem Wissen verknüpfen lassen will.
Man muss aber sehr wohl sagen, dass die Republik das nach modernem Staatsverständnis nicht einmal in bester Absicht tun darf.