Beschimpft und bedroht: Islamfeindlichkeit trifft im Alltag vor allem Frauen
Deutlicher Anstieg an antiislamischen Übergriffen. 83 Prozent der Fälle betreffen Frauen.
Auf der Donauinsel, im AKH, im Schwimmbad, Bus oder Einkaufszentrum – kaum ein Ort, an dem muslimische Frauen nicht Gefahr laufen, aufs Übelste beschimpft zu werden.
Islamfeindlichkeit: “Es trifft vor allem die, die sich nicht wehren können.”
Gegenüber 2017 (309) ist das ein Anstieg um 75 Prozent. Ob das aus einer tatsächlichen Zunahme der Fälle resultiert oder daraus, dass die NGO größere Bekanntheit in der islamischen Community hat und daher mehr Fälle gemeldet werden, sei unklar, sagt Rumeys Dür-Kwieder von der Dokumenstationsstelle.
In 83 Prozent der Fälle waren die Betroffenen Frauen. Sie erfahren vor allem Beschimpfungen.
Männer klagen hingegen, dass sie als Muslime öfter unbegründeten Polizeikontrollen ausgesetzt sind.
Neujahrsbaby und Ali-Video
Ein Großteil der dokumentierten Fälle findet im Internet statt.
Deutliche Ausreißer nach oben gab es da etwa im Jänner, mit der Kontroverse um das Wiener Neujahrsbaby, und im November.
Damals luden die Diskussion um das sogenannte Ali-Video (ein Clip der FPÖ über Sozialversicherungsbetrug) und das Kopftuchverbot in Schulen und Kindergarten die Stimmung zusätzlich auf.
Neben Beschimpfungen (46 Prozent) werden vor allem auch Beschmierungen (17 Prozent, vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln, aber immer wieder auch an der Universität Wien, wo es über 30 Fälle gab) gemeldet.
Ein Minus habe es hingegen bei islamfeindlichen Zwischenfällen in Institutionen gegeben und bei Angriffen auf Moscheen. Bei letzterem wurde 2018 nur ein Fall dokumentiert.
In den Jahren davor waren es durchschnittlich fünf.
Bedachtere Wortwahl gefordert
Als “besorgniserregend” bezeichnet Elif Adam von der Dokumentationsstelle, wie in politischen Debatten Begriffe wie Islam und Islamismus, aber auch Migration und Islam immer öfter vermischt würden. Hier fordern die NGO-Aktivistinnen von Politik wie von den Medien eine “bedachtere Wortwahl”.
Zudem sollten die Betroffenen nicht vom Diskurs ausgeschlossen werden. Es wird demnach zu viel über, zu wenig mit Muslimen gesprochen.
Von der Polizei wiederum erwarten sich Adam und Dür-Kwieder mehr Maßnahmen zur Sensibilisierung und mehr Engagement gegen Rassismus.
Fallbeispiele 2018
VERBALE ANGRIFFE:
Eine muslimische Frau übte den Helferschein in einem öffentlichen Wiener Schwimmbad aus. Eine ältere Frau bezeichnet ihren Burkini als “unhygienisch” und beschimpft sie als “Dreckschwein” und “Kopftuchhure”. Als der Bademeister die Muslima verteidigt, attackiert die Dame auch muslimische Kinder. Als die Polizei eintrifft, ist diese bereits weg.
Beim Picknick dreier Freundinnen lässt der Sohn einer Frau eine Serviette unabsichtlich fallen. Ein älterer Herr kommentiert dies abfällig und fotografiert die Gruppe mit seinem Handy. Als die Mutter des Kindes den Mann auffordert, dies zu unterlassen, beschimpft sie der Mann und meint: “Hier habt ihr nichts zu suchen.”
DISKRIMINIERUNG:
Eine Security-Mitarbeiterin wird zum Bahnhofsdienst in Niederösterreich eingeteilt. In einer SMS an alle Supervisoren heißt es daraufhin: “Bitte keine Schwarzen und keine mit Kopftuch schicken.” Daraufhin wird die Muslima von ihrem Vorgesetzten von diesem Dienst wieder abgezogen.
Bei einem Vorstellungsgespräch in einem Unternehmen erfährt eine Bewerberin vom Geschäftsführer, dass sie nicht in das Bild des Unternehmen passe.
Als die Muslima antwortet, sie sei bereits zehn Jahre in Österreich lebe, meint ihr Gegenüber, dass sie dafür sehr schlecht Deutsch spreche “und eure Frauen und eure Männer müssen sich bemühen und müssen sich weiterbilden”.
HATE CRIME:
In einer U-Bahn-Station wird eine Muslimin von zwei Männern und einer Frau beschimpft und beleidigt.
Eine Passantin, die sich verteidigend einschaltet, wird ebenfalls attackiert: Sie wird bedrängt und ihr wird die Brille aus dem Gesicht geschlagen, sodass diese zerbricht.
Eine Familie in Graz wird von ihrem Nachbarn über Jahre hinweg beschimpft und bedroht.
Dabei kommt es zu mehreren Anzeigen, auch wegen gefährlicher Morddrohung.
Nachdem es keine Konsequenzen für den Nachbarn gibt, fühlt sich die Familie unsicher und zieht weg.
HATE SPEECH:
In einem Wiener Linienbus wird ein syrischer Flüchtling von einer Frau als Kinderschänder beschimpft.
Zur Tochter einer zufällig anwesenden Dame meint sie: “Sie gehören vergast!” Der Busfahrer und die Passagier handeln sofort, die Angreiferin muss den Bus verlassen.
SONSTIGES:
Eine sichtbare Muslima ist mit ihrem Kind auf dem Weg in den Kindergarten.
Eine Frau, die mit ihrem Hund unterwegs ist, sieht die beiden, geht auf sie zu und lässt die Leine des Hundes locker.
Das Tier rennt auf die beiden zu und bellt sie lautstark an.
Erst nach einiger Zeit zieht die Frau die Leine wieder zurück. /kurier.at
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