Bluttat im Sozialamt: LH Wallner sieht “Lücke im Recht”

Warum ein Straftäter trotz Aufenthaltsverbots in Österreich Asyl beantragen kann und während des Verfahrens auf freiem Fuß bleibt.

Bluttat im Sozialamt: LH Wallner sieht “Lücke im Recht”

Mehrfach vorbestraft und mit einem unbefristeten Aufenthaltsverbot belegt: Dass sich Soner Ö. trotzdem während seines Asylverfahrens frei in Österreich bewegen und sogar einen Mord begehen konnte, sorgt für Debatten.

Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk ortet „eine gewisse Lückenhaftigkeit“ im Fremdenrecht in Bezug auf den aktuellen Fall.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) fordert: „Wir können so jemanden nicht auf freiem Fuß herumspazieren lassen.

Da ist eine Lücke im Recht vorhanden, die wir so nicht stehen lassen können.“

Soner Ö. war in Vorarlberg alles andere als ein unbeschriebenes Blatt.

Der Türke kam derart oft mit dem Gesetz in Konflikt, dass ihm 2009 das Aufenthaltsrecht im gesamten EU-Raum aberkannt wurde. 2010 musste der heute 34-Jährige das Land Richtung Türkei verlassen.

 

Bluttat in Behörde
Illegal wieder in Österreich eingereist, stellte Soner Ö. am 7. 1. in der Erstaufnahmestelle West in Talham einen Asylantrag und kehrte anschließend nach Vorarlberg zurück, wo er bei seinem Bruder Unterschlupf fand.

Im Streit um die beantragte Mindestsicherung erstach der Türke am Mittwoch Alexander A., den Leiter des Sozialamts in der BH Dornbirn, in dessen Büro.

„Wut und Ärger“ äußerte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

Für ihn ist es unerklärlich, warum „so jemand nicht sofort in Schubhaft genommen werden kann“, sagt er zum KURIER. Eine von vielen Fragen, die nun für Debatten sorgen.

 

Rechtliche Fragen und Antworten
Warum konnte Soner Ö. trotz Aufenthaltsverbots und illegaler Einreise einen Asylantrag stellen? Illegale Einreise ist der Regelfall bei Asylwerbern, da es de facto keine Alternative gibt.

Das in der Genfer Flüchtlingskonvention verbriefte Recht, einen Asylantrag zu stellen, erlischt auch nicht durch ein aufrechtes Aufenthaltsverbot.

„Wenn jemand angibt, dass ihm erhebliche Gefahr droht, bedarf das einer sorgfältigen Prüfung“, erklärt Anny Knapp von der Asylkoordination Österreich.

 

Warum war der Verdächtige während des Asylverfahrens trotz seiner vielen Straftaten und eines Aufenthaltsverbots auf freiem Fuß?

Das ist in der Tat eine gewisse Lückenhaftigkeit, die möglicherweise gesetzlicherweise geschlossen werden könnte“, sagt der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk.

Eine solche Regelung müsse aber freilich in Einklang mit internationalem Recht stehen.

Die von Wallner ins Spiel gebrachte Schubhaft wäre im konkreten Fall jedoch kein geeignetes Instrument.

„Sie ist eine freiheitsentziehende Maßnahme zum Zweck der Abschiebung.

Damit das zulässig ist, brauche ich eine Entscheidung über die Abschiebung“, sagt Funk.

 

Gibt es Ausnahmen, bei denen Schubhaft auch während des Asylverfahrens verhängt werden kann? Ja.

Diese Maßnahme darf aber nur „bei Sicherungsbedarf“ verhängt werden, wie das Innenministerium (BMI) erklärt – also wenn die Gefahr des Untertauchens beim Asylwerber besteht.

„Im gegenständlichen Fall wäre dieser Sicherungsbedarf nicht argumentierbar gewesen, da der Asylwerber aufrecht gemeldet war und bei einer Familie privat wohnte“, heißt es in einer BMI-Stellungnahme.

Darin wird auch darauf verwiesen, dass im aktuellen Fall das 2009 eigentlich unbefristet verhängte Aufenthaltsverbot vermutlich bei näherer Überprüfung nicht mehr gültig gewesen wäre.

Laut EuGH-Judikatur dürfen Aufenthaltsverbote nämlich inzwischen nur noch zeitlich befristet gelten.

Die Überprüfung war noch ausständig.

Wie wahrscheinlich wäre eine Abschiebung bei negativem Asylbescheid gewesen? Laut Flüchtlingskonvention dürfen Menschen abgeschoben werden, wenn sie als „Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen sind“.

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) untersagt jedoch Abschiebungen in Länder, in denen der Betroffene mit Folter oder unmenschlicher Strafe zu rechnen hat.

Laut BMI wäre die Abschiebung des Kurden Ö. in die Türkei jedenfalls nicht mit der EMRK vereinbar gewesen, weshalb eine Duldung ausgesprochen hätte werden müssen – selbst wenn das Asylverfahren negativ ausgegangen wäre.kurier.at

Yayınlama: 08.02.2019
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