Frauenmorde: Warum Männer gewalttätig werden

Verdrängte Gefühle können die Psyche belasten – und auch zu Gewalt führen. Was das mit Vorstellungen von Männlichkeit zu tun hat.

Frauenmorde: Warum Männer gewalttätig werden

Egal, ob im Job, in der Beziehung oder im Alltag: jeder hat immer wieder mit Problemen zu kämpfen.

Während Frauen sich in Krisensituationen Hilfe suchen, mit Freunden und Verwandten reden oder sogar professionellen Rat suchen, müssen Männer alleine damit klar kommen – glauben sie.

Das kann im Extremfall dazu führen, dass Männer für sich selbst, aber auch für ihr Umfeld zur Gefahr werden.

Oft spricht man in diesem Zusammenhang von toxischer –  also schädlicher – Männlichkeit. Ein Begriff, der immer wieder auch auf Kritik stößt, weil er mitunter als Abwertung von Männern insgesamt interpretiert werden kann.

Laut Sozialwissenschafter und Genderforscher Paul Scheibelhofer von der Universität Innsbruck werden damit aber nicht Männer als Problem dargestellt, “sondern bestimmte Ideale und Normen von Männlichkeit”.

Ungesundes Verhalten

Schon Burschen werden meist in jungen Jahren dazu erzogen, Gefühle als Zeichen der Schwäche anzusehen und diese zu unterdrücken – mit gravierenden Auswirkungen im Jugendlichen – und Erwachsenenalter.

Studien zufolge neigen Männer zu risikoreicherem Verhalten, Aggressivität und Gewaltbereitschaft.

Wer dauerhaft einfach nur funktioniert, ohne über sein Inneres zu reflektieren, läuft eher Gefahr, psychisch und physisch zu erkranken.

Die Folgen sind häufig chronischer Stress, Depressionen, Drogenmissbrauch, Suchtverhalten oder erhöhtes Suizidrisiko.

Für Scheibelhofer sind die unlängst kurz aufeinanderfolgenden Frauenmorde in Österreich nur die Spitze des Eisberges. “Die tödliche Gewalt von Männern gegen Frauen ist Teil des größeren Phänomens, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Männlichkeit und Gewalt stark zusammenhängen.”

Das habe zum einen mit Bildern von Männlichkeit zu tun.

Aber auch die gesellschaftlichen Strukturen würden Gewalt von Männern gegen Frauen, wie auch gegen andere Männer, ermöglichen und begünstigen.

Richtlinien

Der US-amerikanische Psychologenverband American Psychological Association (APA) hat kürzlich erstmals Richtlinien für “die psychologische Praxis mit Burschen und Männern” herausgegeben.

Für Frauen oder ältere Menschen gibt es solche bereits seit mehreren Jahren.

Darin heißt es, dass typisch männliche Eigenschaften wie Dominanz oder Konkurrenzdenken “negative Auswirkungen auf die Gesundheit” haben können.

Männerberatung

Wie wichtig es für Therapeuten in der Arbeit mit und Beratung von Männern ist, diese psychologischen Mechanismen zu kennen, weiß auch Romeo Bissuti, Psychologe und stellvertretender Obmann des Dachverbandes Männerarbeit Österreich.

“Männlichkeitsbilder haben dramatische Auswirkungen auf die Gesundheit von Männern.

Das zu wissen, ist in der Männerberatung ganz wesentlich.

Nur so können wir Männern klarmachen, dass sie selbst unter diesen Erwartungen an Männern leiden.”

Vorherrschende Rollenbilder stellen nicht zuletzt auch jene Männer vor ein Problem, die diesen nicht entsprechen, erklärt Bissuti: “Für sie ist es sehr schwierig, einen anerkannten Platz unter Männern zu finden und das bedeutet einen enormen Druck.”

Der Umgang mit dieser Form der Unterdrückung und Ausgrenzung gestalte sich vielfältig. “Manchmal suchen Männer Konfrontationen, um als echter Mann zu gelten.”

Andere würden darüber schweigen, was wiederum die Psyche beeinträchtigen kann.

Problembewusstsein

Dennoch hätten sich Männlichkeitsbilder in den vergangenen Jahrzehnten verändert.

“Das haben Männer aber still und heimlich gemacht, weil sie das Gefühl hatten, dass es vernünftig, angebracht oder schlicht von ihnen gefragt war und ist.

Der wichtige öffentliche Diskurs darüber hat aber gefehlt”, sagt Bissuti, der auch Obmann von White Ribbon Österreich ist.

Erst kürzlich wurde dieser von einer Werbung des Hygieneartikelherstellers Gillette angefacht.

In dem Kurzfilm wurde problematisches männliches Verhalten gezeigt. Darstellungen von Mobbing, sexueller Belästigung, Sexismus oder Aggressivität wurden positive Versionen von Männlichkeit gegenübergestellt.

Die Werbung wurde von Männern angefeindet, die sich von der Kritik pauschal und in ihren Augen ungerechtfertigt mitgemeint fühlten.

Bissuti begrüßt den Werbespot dennoch – oder gerade deswegen: “Es kommt nicht häufig vor, dass das Thema Männlichkeit direkt und offensiv aufgegriffen wird, noch dazu in einer so großen Kampagne.”

Bissuti bewertet die Kampagne auch deswegen positiv, “weil hier auch positive Bilder von Männlichkeit gezeigt werden, die letztendlich das Ziel sind.”

Dass die Debatte über Männlichkeit mittlerweile bereits in Gang gesetzt wurde, zeigt sich Scheibelhofer zufolge seit der Debatte rund um #MeToo.

Das Problem lediglich bei einzelnen Gruppen von Männern zu verorten sei jedenfalls zu kurz gegriffen.

Um die enge Verbindung von Männlichkeit und Gewalt zu durchbrechen, sei ein erweiterter Blick auf die gesellschaftlichen Bedingungen nötig, die diese Verbindung stärken.

Wichtig sei laut Bissuti, Männern zuzuhören und ihnen zu vermitteln, dass sie Schwäche zeigen dürfen –  auch wenn sie Gewalttaten begangen haben.

“Wir lehnen nicht den Menschen ab, sondern den Akt der Gewalt.”/kurier.at

 

Yayınlama: 23.01.2019
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