Innenministerium will Informationssperre für “kritische Medien”
Das Innenministerium regte bei den Landespolizei-Pressestellen an, stets auf die Herkunft Verdächtiger hinzuweisen – und “kritischen Medien” Informationen quasi zu verweigern. Wer “neutrale oder positive” Berichte garantiere, erhalte vollen Zugang.
Das Innenministerium wünscht sich eine Änderung im Umgang mit Medien und der Information der Bevölkerung. Wie am Montagabend bekannt wurde, sorgte ein E-Mail aus dem Innenministerium an die Pressestellen der Landespolizeidirektionen für Aufregung bei den Polizisten: In dem Schreiben, das als “Anregung” – nicht als Weisung – bezeichnet wird, werden die Pressestellen dazu aufgerufen, neue Maßstäbe in ihrer Arbeit geltend zu machen. Das berichteten die Zeitungen “Kurier” und “Standard” am Montagabend auf ihren Webseiten.
Einerseits werden in dem E-Mail die Mitarbeiter darauf hingewiesen, künftig stets die Staatsbürgerschaft und den etwaigen Aufenthaltsstatus von Verdächtigen dezidiert zu nennen. (Im Justizministerium ist im Gegensatz dazu nach wie vor einen Erlass von 2014 gültig, der festhält: “Bei der Informationserteilung soll auf die Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe oder auf persönliche Merkmale [Hautfarbe et cetera] nur hingewiesen werden, wenn dies für das Verständnis des berichteten Vorgangs unbedingt notwendig ist.”)
Zudem sollen Sexualdelikte prominenter kommuniziert werden. War der Täter bekannt, war es bisher so, dass man zugunsten des Opferschutzes – um eine Retraumatisierung des Opfers zu vermeiden – auf eine breite Kommunikation verzichtete, berichtet “Der Standard”. Besonders “Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden” – der Absender nennt explizit das “Antanzen” als Beispiel -, “mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigung erfolgen oder wenn zwischen Täter und Opfer keine Verbindung besteht”, sollen die Pressebetreuer “proaktiv” Aussendungen dazu gestalten, steht in dem E-Mail.
“Sehr einseitige und negative Berichterstattung”
Andererseits wünscht sich das Ressort von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) einen gänzlich anderen Umgang mit Medien. “Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (zum Beispiel STANDARD, ‘Falter’) sowie neuerdings auch seitens des ‘Kuriers’ eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI beziehungsweise die Polizei betrieben”, heißt es in dem Schreiben, das “Kurier” und “Standard” zugespielt und dessen Authentizität den Medien bestätigt wurde. Man solle die Kommunikation mit derlei Medien “auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß” beschränken “und ihnen nicht noch Zuckerln wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen”. Was heißt: Reportagen mit Beamten etwa solle es keine mehr geben.
Zumindest nicht für “kritische Medien”. Wenn ein Medium im Vorfeld “neutrale oder positive Berichterstattung” garantiere, stehen offenbar Tür und Tor offen. So etwa bei der ATV-Serie “Live PD”, die ab Ende 2018 ausgestrahlt werden soll: Hier herrschen offenbar für das Ministerium passende Rahmenbedingungen. “Jede Folge wird (vom Innenministerium, Anm.) abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Zusätzlich zu den polizeilichen Einsätzen kommt ein Studiogast des BMI oder der Polizei vor. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können”, zitiert der “Kurier”.
Teilt das. Retweetet das.
Schaut, dass es jeder liest. Infosperre für die Schlimmen,
Zuckerln für die Braven. Die offizielle Informationspolitik von Innenminister Herbert Kickl.
#kickl pic.twitter.com/GrqDBsv8Ox
— Florian Klenk (@florianklenk) 24 Eylül 2018
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Schaut, dass es jeder liest. Infosperre für die Schlimmen,
Zuckerln für die Braven. Die offizielle Informationspolitik von Innenminister Herbert Kickl.
#kickl pic.twitter.com/GrqDBsv8Ox
— Florian Klenk (@florianklenk) 24 Eylül 2018
Kaum Antworten aus dem Ministerium
Die “kritischen Medien” hingegen würden “Fakten und Erklärungen ignorieren”. Der “Kurier” verwies in seinem Bericht darauf, dass bislang kein Bericht über Polizeiarbeit gebe, in dem unrichtige Berichterstattung festgestellt worden sei.
In dem Zusammenhang ist interessant, dass Presseanfragen beim Ministerium kaum beantwortet werden. Die Situation bei den Landespressestellen sei hingegen anders, heißt es im “Kurier”: Alle Medien erhielten hier “professionelle und rasche Antworten” auf Anfragen. Im Innenministerium sei zuletzt bei kritischen Anfragen auf das Informationsfreiheitsgesetz verwiesen worden; das Gesetz setzt eine Frist von acht Wochen für die Beantwortung einer Anfrage, allerdings “ohne Aufschub”, berichtet der “Kurier”. Beide Medien erhielten keine Stellungnahme aus dem Innenministerium zu ihren Berichte.
“Durchaus nicht aus der Luft gegriffen”
Erst am späten Montagabend gab es dann eine Stellungnahme des Innenministeriums zu dem E-Mail: Das Schreiben sei vom Ressortsprecher Christoph Pölzl verfasst worden – man habe so “Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter” in die Bundesländer tragen wollen. Ziel des Schreibens sei unter anderem “ein einheitlicherer Auftritt der Polizei und des Innenministeriums in bestimmten Bereichen der Medienarbeit”. Kickl selber sei “weder Auftraggeber noch Empfänger” der E-Mail gewesen.
Zu den inhaltlichen Richtlinien – also der prominenteren Kommunikation von Sexualstraftaten und dem dezidierten Verweis auf die Herkunft von Verdächtigen – hieß es in der Stellungnahme lediglich, es habe bisher “sehr unterschiedlichen Umgang” mit diesen Informationen gegeben, was man nun offenbar einheitlich in die vom Innenministerium gewünschte Richtung abändern will.
Zudem kündigt das Innenministerium eine “Leitlinie” für “transparente Medienkommunikation” an, die unter Aufsicht des Ressortsprechers erstellt werden soll. Die Kommunikationsverantwortlichen in den Landespolizeidirektionen sollen “eingebunden” werden. Was genau diese “Leitlinie” umfassen könnte, blieb in der Stellungnahme unbeantwortet.
In der Stellungnahme – deren Absender der Innenministeriumssprecher Alexander Marakovits ist – heißt es weiter, dass “der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist”. Die Empfehlungen für einen “besonders achtsamen Umgang mit den erwähnten Medien” würden auf “teils jahrelanger Erfahrungen vieler Kommunikationsmitarbeiter” des Ressorts fußen. Impliziert wird in der Stellungnahme, dass diese Mitarbeiter mit der Berichterstattung offenbar nicht glücklich waren.