KURIER: Die burgenländische SPÖ hat entgegen der Linie der Bundes-SPÖ mit der FPÖ eine Regierung gebildet.
Heute sind Sie in Oberwart beim Landesparteitag.
Mit gemischten Gefühlen?
Christian Kern: Ohne gemischte Gefühle.
Im Burgenland wird gute Arbeit gemacht, aber es ist bekannt, ich bin kein Anhänger der Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Bundesebene.
Wenn wir an das BVT denken, wenn wir an den sozialpolitischen Bereich denken, weiß man auch warum.
In der Vergangenheit hat man gesagt, na gut, die sind demokratiepolitisch ein Problem, aber sozialpolitisch gäbe es vielleicht Gemeinsamkeiten.
Aber was wir jetzt erleben, ist ein totaler Verrat an den Wählern.
Kürzungen im Gesundheitssystem, die 60-Stunden-Woche, Kürzungen bei Arbeitsmarktprogrammen.
Das ist eine ganz rationale Analyse, dass wir wenig Gemeinsamkeiten haben.
♦ Ende von Lehre für Asylwerber: “Zynisch, unsinnig und bösartig”
♦ Wie wäre Österreich ohne Migranten?
Der burgenländische SPÖ-Chef und baldige Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sagte jüngst:
„In der Migrationsfrage ist Kurz kein politisches Feindbild.“ Sie haben im Wahlkampf gesagt, das was Kurz sagt, ist ein „Vollholler“. Wie passt das zusammen?
Ich denke, was die Migrationsfrage betrifft, gibt es ein paar Prinzipien, die alle in Österreich .
Wir müssen die Zuwanderung begrenzen.
Wer keinen positiven Asylbescheid hat, kann nicht bleiben.
Dann gibt es aber auch große Unterschiede.
Wenn der Bundeskanzler sagt, wir müssen die europäischen Häfen sperren, dann ist das aus meiner Sicht ein Bruch der Menschenrechtskonvention.
Wir haben in Österreich mittlerweile eine enorme Abstumpfung erlebt.
Weil Kickl zum Beispiel sagt, er will den Begriff Seenotrettung nicht mehr hören.
Was heißt das aber, wenn wir den Menschen, die imMittelmeer zu Hunderten ertrinken, sagen, ihr habt kein Recht mehr auf Rettung?
Dann geben wir unser humanistisches Erbe auf.
Das müssen wir unseren Wählern vermitteln, weil das ist das Herz unserer Partei. Dieses Prinzip der Solidarität, der Nächstenliebe, des internationalen Denkens.
Sie haben in Ihrem Migrationspapier den neuen Begriff Charter Cities eingeführt:
Also Sonderwirtschaftszonen etwa in Afrika, in denen sich von der EUabgewiesene Flüchtlinge selbst etwas aufbauen können.
Das klingt sympathisch, aber auch sehr utopisch.
Unser Prinzip ist, möglichst vor Ort zu helfen. Die Charter Cities sind eine Variante, es gibt aber auch andere Modelle.
Wir dürfen die Durchsetzbarkeit nicht aus den Augen verlieren.
Was wäre realistischer?
Nach dem Türkei-Vorbild zu versuchen, mit UNHCR-Unterstützung dort Beherbergungszentren zu schaffen, wo die Menschen bleiben können.
Können Sie in einem Satz erklären, was beim BVT aus Ihrer Sicht der Skandal ist?
Wenn man sich anschaut, wer da jetzt im Sicherheitsministerium Nummer eins in wichtigsten Funktionen sitzt, dann ist mein Problem, dass es hier zu einer Unterwanderung kommt, die ich demokratiepolitisch für höchst bedenklich halte.
Und da müssen wir alle ganz genau hinschauen.
Sie haben Klimapolitik zum großen Thema der SPÖ .
Klimapolitik konkret zu machen, heißt ja auch, für Verzicht zu werben.
Was ist da Ihr Rezept?
Ich sehe das nicht unter dem Motto Verzicht.
Aus meiner Sicht geht es auch um die Frage, wie wollen wir unsere Wirtschaft gestalten?
Ich sehe das als große Chance. Wir wissen, dass wir Investitionen brauchen.
Wir wissen, dass wir unsere Wirtschaftsstruktur weiterentwickeln müssen.
Und ich sage: Dann ökologisieren wir doch.
Gehen wir in die erneuerbare Energie, gehen wir in Elektromobilität und machen da bessere und aggressivere Programme.
Das schafft Zehntausende Jobs.
Soll man E-Autos stärker fördern oder Benziner verbieten?
Eine aktuelle Studie sagt, 2025 werden E-Autos so billig sein wie Benziner oder Diesel.
Und deshalb bin ich der Meinung, wir sollten eine Frist setzen, ab der wir bei Neuzulassungen Verbrennungsmotoren nicht mehr akzeptieren.
Wann soll das passieren? Ich würde vorschlagen, dass man das bei einem Gipfel mit der Automobilindustrie diskutiert.
Die ist wichtig, die baut super Autos, aber nur eines kann sie noch besser: lobbyieren.
Die erzählen uns jahrelang, was alles nicht geht. Wenn man wissen will, wie es geht: China ist da, um sich das anzuschauen.
Das ist keine Bewerbung für einen Vorstandsjob bei einem Automobilunternehmen?
Ich will mich nirgendwo bewerben. Aber als Aufsichtsrat würde ich nur Leute als Manager nehmen, die dafür ein Sensorium haben.
Die, die die Zukunft verschlafen, fahren die Unternehmen gegen die Wand.
Geht es Ihnen eigentlich auf die Nerven, dass Sie immer wieder gefragt werden, ob Sie bei den nächsten Wahlen wieder kandidieren?
Nein, das bin ich jetzt schon gewohnt.
Und werden Sie Spitzenkandidat sein?
Ich sehe es klar darauf hinauslaufen.