Vereinbarung im Gasnotfall

In Wien unterzeichneten der deutsche Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) eine gemeinsame Erklärung. So wollen sich Berlin und Wien im Falle eines Ausfalls der russischen Energielieferungen auf gegenseitige Hilfe verlassen.

Vereinbarung im Gasnotfall

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat für Europas Grüne manche kuriose Situation zur Folge, etwa wenn sich zwei zentraleuropäische Regierungsmitglieder darüber beraten, mehr Erdgas zu erhalten. Habeck, grüner Vizekanzler und Wirtschaftsminister, vereinbarte am Dienstag in Wien ein Solidaritätsabkommen mit Gewessler.

Ein ähnliches Dokument hatte Habeck am Montag bereits in Prag unterzeichnet. Das Ziel soll gegenseitige Hilfe im Notfall sein. Für den Fall des Falles will man vorbereitet sein. In weiterer Folge soll auch die Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen vorangetrieben werden.

Drei Punkte vereinbart

Erst dann gebe es Sicherheit, so Gewessler bei der anschließenden Pressekonferenz mit Habeck. Das Ziel der Unabhängigkeit durch erneuerbare Energie sei auch nur zusammen erreichbar, so die beiden unisono. Die gemeinsame Erklärung umfasse drei Punkte, sagte Gewessler.

Zum Ersten gehe es um die Durchleitungsrechte: Tirol und Vorarlberg werden über das deutsche Netz versorgt, und das solle auch im Falle eines Gasmangels so bleiben. Weiters ging es um die Nutzung der Erdgasspeicher, vor allem des Speichers Haidach. Auch für Teile Deutschlands seien die Speicher ein „wichtiger Sicherheitspuffer“, so Gewessler. Daher gebe es eine bilaterale Vereinbarung zur Befüllung.

Der dritte Punkt sehe gemeinsame Anstrengungen zur Diversifizierung der Gasversorgung vor. Deutschland habe durch seine geografische Lage die Möglichkeit für LNG-Terminals, Österreich nicht. Daher wolle man die heimischen Unternehmen ermutigen, sich an LNG-Terminals zu beteiligen. „Dazu gibt es meine volle politische Unterstützung“, so Gewessler.

Geben und Nehmen

Die Gassolidarität zwischen Deutschland und Österreich, Vorsorge und Koordination in der Krise seien das zentrale Thema. Man müsse sich auf EU-Ebene auch über die gemeinsame Beschaffung Gedanken machen und die vorhandenen Kapazitäten sinnvoll nutzen. Damit verhindere man auch, das die Länder sich gegenseitig die Energiepreise hochtrieben, so Gewessler. Das sei besonders für das Binnenland Österreich bedeutsam.

Der Ukraine-Krieg habe am politischen Horizont dunkle Wolken hervorgerufen, sagte Habeck. „Wir sind aber nicht hilflos ausgeliefert, man kann immer Gegenmaßnahmen ergreifen.“ Kein Land allein sei aber stark genug, um die jetzige Situation zu überstehen, appellierte er an die europäische Solidarität. Auch Deutschland sei auf andere Länder angewiesen. So habe man zwar die Möglichkeit der LNG-Terminals, doch brauche man die Energie hierfür von Belgien und den Niederlanden. Daraus ergebe sich die Verpflichtung, das Gas auch weiter zu verteilen. Auch Habeck betonte die Bedeutung, in weiterer Folge unabhängig von russischer Energie zu werden. „Hier gibt es nun eine neue Allianz aus Autarkie und Klimaschutz.“

Habeck will aber die Industrie bei dauerhaft fehlenden Gasmengen nicht automatisch benachteiligen. Der Schutzgedanke „Frieren soll niemand“ sei richtig, wenn es eine kurzfristige Störung der Versorgung gibt. „Das ist aber nicht das Szenario, das wir jetzt im Moment haben, sondern wir gehen ja möglicherweise von einer monatelangen Unterbrechung aus“, sagte der deutsche Minister. Es solle zwar auch in diesem Fall niemand frieren, aber die privaten Haushalte sollten einen Anteil leisten, denn ein monatelanger Stillstand in der Industrieproduktion hätte schwere Folgen für die Menschen im Land.

Putins Kurs „written on the wall“

Gewessler und Habeck übten auch Kritik an der früheren Russland-Politik ihrer jeweiligen Länder. Die deutsche Politik wie auch Unternehmen hätten sich in die starke Abhängigkeit begeben, als der Kurs von Kreml-Chef Wladimir Putin nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim bereits „written on the wall“ gewesen sei, also deutlich erkennbar, so Habeck. „Da sind wir in einer ähnlichen Lage“, sagte Gewessler. „Das ist die Situation, mit der wir nun arbeiten müssen.“ Die EU habe aber gezeigt, dass sie schnell und effizient reagieren könne.

Habeck wird am Dienstag noch einige Termine in Wien absolvieren. Nach dem Gespräch im Klimaschutzministerium ging es für ihn und Gewessler weiter zu einer der stärksten Großwärmepumpen Mitteleuropas im Kraftwerk Simmering. Später standen Gespräche mit ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher sowie Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) auf dem Programm. Den Abschluss bildet eine Unterredung mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Ein Termin mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) entfiel wegen Koglers CoV-Infektion.

„Keine geheime Information“

Habeck drückte am Montag in einem Interview mit der ARD die Hoffnung aus, dass Russland auch weiterhin Gas liefern werde. Über die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland, die Pipeline „Nord Stream 1“, wird seit Montag nichts mehr geliefert. Grund sind Wartungsarbeiten, die zehn Tage bis 21. Juli andauern sollen. Ob Putin danach den Gashahn wieder aufdreht, ist aber unklar. „Ich habe keine geheime Information, weder in die eine noch in die andere Richtung“, sagte Habeck dazu. „Die Möglichkeit besteht. Die Chance, dass es nicht so kommt, ist auch da. Wir werden abwarten müssen.“

Kritik kam am Dienstag von NEOS: Grundsätzlich sei die Kooperation zu begrüßen, so Energiesprecherin Karin Doppelbauer per Aussendung. Statt Krisenkommunikation dominiere aber immer noch die „PR-Kommunikation“ bei Gewessler. Es mangle zudem weiterhin an einer nachvollziehbaren Strategie, so Doppelbauer. „Die Zeit des Beobachtens und der heißen Luft muss jetzt ein für alle Mal vorbei sein“, ÖVP und Grüne müssten handeln.

Österreich will bis zum Winter die Gasspeicher zu 80 Prozent gefüllt haben. Mit Stand Sonntag waren sie zu 48,3 Prozent gefüllt. In Deutschland liegen sie etwa bei 64 Prozent. Im dreistufigen Gasnotfallplan hat Deutschland bereits die zweite Stufe, die Alarmstufe, aktiviert. Österreich bleibt trotz größerer Abhängigkeit vorerst noch bei Stufe eins, der Frühwarnstufe. Kommende Woche will die EU-Kommission ihre Strategie für die Energieversorgungssicherheit vorstellen.| © ORF.at

Yayınlama: 12.07.2022
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