Erinnerung an die ermordeten Widerstandskämpfer
Heute gedenkt das Landesgericht für Strafsachen Wien den rund 600 Widerstandskämpfern, die dort von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Vor genau 80 Jahren fanden die ersten Hinrichtungen statt.
Nach einer Kranzniederlegung im ehemaligen Hinrichtungsraum eröffneten Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und der Präsident des Landesgerichts, Friedrich Forsthuber, die Veranstaltung mit Reden. Von Bundespräsident Alexander Van der Bellen gab es eine Grußbotschaft.
Zadic erinnerte in ihren Begrüßungsworten an jene Menschen, die bewusst „zum Sand im Getriebe des NS-Regimes“ wurden. „Ihnen war sehr wohl bewusst, was ihnen droht. Aber das waren Menschen, die in einem Unrechtsregime anständige Menschen bleiben wollten“, sagte die Justizministerin. Den „gedanklichen Blick“ müsse man aber auch auf jene richten, die sich an den Widerstandskämpfern schuldig gemacht haben – Polizisten der Gestapo oder Vertreter der Justiz: Viele Staatsanwälte seien „das Öl im Getriebe des NS-Regimes“ gewesen. Menschen wie die Widerstandskämpfer seien hingegen „leuchtende Vorbilder, die für unseren Rechtsstaat und unsere Grundrechte gekämpft haben“.
„Der Holocaust kam nicht plötzlich“
Dem schloss sich auch der Bundespräsident in seiner von Forsthuber verlesenen Grußbotschaft an. „Der Holocaust kam nicht plötzlich. Er schlich sich an, nicht nur im Schatten der verübten Verbrechen, sondern auch auf den leisen Sohlen des Schweigens und des Wegschauens. Umso mehr müssen wir heute die Taten all jener hochhalten, die eben nicht wegschauten. Die nicht schwiegen. Die sich sogar aktiv für Gerechtigkeit einsetzten und gegen den NS-Terror kämpften – auch wenn sie selbst dafür Verfolgung und Tod in Kauf nahmen.“
Gedenkstätten wie der Hinrichtungsraum im Landesgericht oder das Deserteursdenkmal auf dem Ballhausplatz seien gerade vor einem wieder erstarkenden Rassismus und Antisemitismus wichtig, so Van der Bellen. Die Lebensgeschichten der Widerstandskämpfer in Erinnerung zu halten sei unsere Pflicht, denn „durch das Bewahren ihrer Geschichten verhindern wir, dass sich solch schreckliche Verbrechen wiederholen“.
80. Jahrestag der ersten Hinrichtungen
Gerade in einem Haus wie diesem müsse man den „demokratischen Rechtsstaat erfahrbar machen“, betonte Forsthuber. „Menschen, die bereit waren, für ihre Freiheit einzustehen, sind hier gestorben.“ Obwohl Widerstandskämpfer nach 1942 vermehrt mit der Todesstrafe rechnen mussten, gab es immer wieder Menschen, die weiterhin für ihre Rechte als Bürger einstanden. Sowohl Forsthuber als auch Zadic betonten jedoch auch, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei, und es die Aufgabe aller sei, sich dafür einzusetzen.
Die Gedenkfeier war Teil des dreitägigen Symposiums „Diktatur und Widerstand“ anlässlich des 80. Jahrestages der Hinrichtung der ersten Widerstandskämpfer im Landesgericht Wien am 30. Juni 1942. Organisiert vom Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Freiheitsrechte, dem Verein Justizgeschichte und Rechtsstaat und dem Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien finden von 29. Juni bis 1. Juli Publikumsdiskussionen, Lesungen und Vorträge unter anderem zur Todesstrafe oder den dunklen Seiten der österreichischen Justiz statt.
Zehn Eisenbahner als erste politische Widerstandskämpfer
Am 30. Juni 1942 wurden zehn Eisenbahner aus St. Veit an der Glan im Landesgericht Wien hingerichtet. Sie gelten als erste politische Widerstandskämpfer. Maximilian Zitter, Andreas Waste, Ludwig Höfernig, Josef Kuchler, Karl Zimmermann, Peter Schlömmer, Josef Straubinger, Michael Essmann, Johann König und Richard Götzinger wurden wegen „erschwerter Vorbereitung zum Hochverrat“, „Feindbegünstigung“ und „Rundfunkverbrechens“ zum Tode verurteilt, nachdem Zitter über einen „Feindsender“ den Aufruf zur Sabotage von Wehrmachtszügen hörte und mit seinen Kollegen teilte. Von 1938 bis 1945 wurden im Landesgericht für Strafsachen Wien 1.210 Menschen ermordet, darunter über 600 Widerstandskämpferinnen und -kämpfer.|©ORF.at