EU einigt sich auf Kompromiss über Importverbot
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich auf einen Plan geeinigt, mehr als zwei Drittel der russischen Öleinfuhren zu blockieren.
Es handelt sich dabei um einen Kompromiss, der nach dem Widerstand Ungarns vorerst keine Ölimporte über Pipelines betreffen wird.
Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, erklärte, mit der Einigung werde „eine riesige Finanzierungsquelle” für die russische Kriegsmaschinerie abgeschnitten.
Es ist Teil des sechsten Sanktionspakets, das auf einem Gipfel in Brüssel beschlossen wurde und nur möglich geworden ist, da alle 27 Mitgliedsstaaten zugestimmt haben.
Laut Michel hat sich die EU auch auf einschneidende Maßnahmen gegen die größte russische Bank, die Sberbank, und drei staatliche Rundfunkanstalten geeinigt.
Stundenlang rangen die EU-Mitglieder um eine Lösung ihrer Differenzen über das Verbot russischer Ölimporte, wobei Ungarn der zentrale Streitpunkt war.
Der Kompromiss kam nach wochenlangem Ringen zustande, bis man sich darauf einigte, dass es „eine vorübergehende Ausnahme für Öl gibt, welches durch Pipelines in die EU gelangt”, so Michel gegenüber Reportern.
Aus diesem Grund werden die unmittelbaren Sanktionen nur russisches Öl betreffen, das auf dem Seeweg in die EU transportiert wird – das sind zwei Drittel der gesamten Importe aus Russland.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, erklärte jedoch, dass der Geltungsbereich des Verbots in der Praxis weiter gefasst sein wird, da Deutschland und Polen sich freiwillig bereit erklärt haben, ihre eigenen Pipeline-Importe bis Ende dieses Jahres zu beenden. Österreich hat sich eigenen Angaben zufolge schon im März gänzlich von russischen Ölimporten verabschiedet.
Auf Twitter schrieb sie, dass die Importe russischen Öls bis Jahresende „um 90 Prozent“ reduziert werden.
„Es bleiben etwa 10-11 Prozent übrig, die von der südlichen Druschba abgedeckt werden”, sagte Von der Leyen und bezog sich dabei auf die russische Pipeline, die Ungarn, die Slowakei und die Tschechische Republik mit Öl versorgt.
Der Europäische Rat werde diese Ausnahmeregelung „so bald wie möglich” wieder aufgreifen, fügte sie hinzu.
Das Verbot russischer Ölimporte wurde ursprünglich vor einem Monat von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, die Gesetze für die Mitgliedsstaaten ausarbeitet.
Doch der Widerstand, vor allem Ungarns, welches 65 Prozent des Öls über Pipelines aus Russland importiert, hat die jüngste Sanktionsrunde der EU verzögert.
Andere Binnenländer wie die Slowakei und die Tschechische Republik baten aufgrund ihrer Abhängigkeit von russischem Öl ebenfalls um mehr Zeit. Bulgarien, das bereits durch Gazprom vom russischen Gas abgeschnitten ist, hatte ebenfalls um eine Ausnahmeregelung gebeten.
Auch die Lebenshaltungskosten Krise, die in ganz Europa zu spüren ist, hat nicht geholfen. Die in die Höhe geschossenen Energiepreise haben die Bereitschaft einiger EU-Länder zu Sanktionen verringert, da diese auch ihrer eigenen Wirtschaft schaden könnten.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban behielt während der Gespräche eine harte Haltung bei und warf der Europäischen Kommission vor, das Verbot nicht ordnungsgemäß mit den Mitgliedstaaten ausgehandelt zu haben.
Er sagte, Energie sei ein „ernstes Thema” und „wir brauchen zuerst Lösungen und dann die Sanktionen”.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte die EU-Länder auf, ihre „internen Streitigkeiten” zu beenden, da diese Moskau nur helfen würden.
„Alle Streitigkeiten in Europa müssen aufhören, interne Streitigkeiten, die Russland nur ermutigen, mehr und mehr Druck auf euch auszuüben”, sagte Selenskyj per Videoschaltung.
„Es ist an der Zeit, dass ihr nicht getrennt seid, keine Fragmente, sondern ein Ganzes”, sagte er.
Der lettische Premierminister Krisjanis Karins meinte, die Mitgliedsländer sollten sich nicht in ihren eigenen Interessen verzetteln. „Es wird uns mehr kosten. Aber es geht nur um Geld. Die Ukrainer zahlen mit ihrem Leben”, sagte er.|©DerVirgül