Teilen und Herrschen oder eine Veränderung?

Teilen und Herrschen oder eine Veränderung?

| Adem Hüyük

Die Gewinner der vorgezogenen Bundestagswahlen in Deutschland sind die Christlich-Demokratische Union [CDU] und ihre in Bayern organisierte Schwesterpartei, die Christlich-Soziale Union [CSU].

Der größte Stimmenzuwachs wurde jedoch von der rechtsextremen Partei “Alternative für Deutschland” [AfD] verzeichnet, die als zweitstärkste Kraft aus den Wahlen hervorging. Die Spitzenkandidatin der AfD, Alice Weidel, sprach von einem “historischen Erfolg” und erklärte, dass ihre Partei für Koalitionsverhandlungen mit der CDU offen sei.

Die AfD erreichte 20,4 % der Stimmen und wurde somit die zweitstärkste Partei.

Gründe für den Aufstieg der AfD

In der globalen Politik gewinnen rechtspopulistische Bewegungen insbesondere durch Themen wie Migration, Wirtschaft und Identität an Zulauf. In diesem Zusammenhang ist Deutschlands Einwanderungspolitik, insbesondere der Zustrom von Flüchtlingen, zu einem zentralen Propagandamittel der AfD geworden. Seit 2015 bringt die fremdenfeindliche Rhetorik der Partei kontinuierlich Wählerstimmen ein. Darüber hinaus sind Inflation, die Energiekrise und wirtschaftliche Unsicherheiten, wie in ganz Europa, auch in Deutschland entscheidende Faktoren, die Wähler beeinflussen.

Ob der Aufstieg der AfD eine vorübergehende Reaktion oder eine langfristige Veränderung darstellt, bleibt umstritten. Sollten die etablierten Parteien keine wirksamen Lösungen für gesellschaftliche Probleme bieten, könnten radikale rechte Parteien wie die AfD weiter wachsen.

Ein Vergleich mit der Österreichischen Freiheitlichen Partei [FPÖ] liegt nahe, da auch diese Partei durch ihre rechtspopulistische Haltung an Einfluss gewonnen hat. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die FPÖ eine viel länger bestehende politische Kraft ist.

Im Gegensatz zur AfD ist die FPÖ keine neue Bewegung. Sie wurde bereits vor der Zweiten Republik gegründet und 1956 unter dem Namen FPÖ als politische Partei etabliert.

Der Einfluss des Mauerfalls und der Jugoslawienkriege

Der Fall der Berliner Mauer sowie der Zustrom von Flüchtlingen aus den Jugoslawienkriegen haben die politische Landschaft in Österreich nachhaltig geprägt. Besonders in Zeiten erhöhter Migration konnte die FPÖ Stimmengewinne verzeichnen. Unter der Führung von Jörg Haider entwickelte sich die Partei zu einer fremdenfeindlichen, EU-skeptischen und nationalistischen Kraft. Der Aufstieg der FPÖ ist daher nicht einfach ein “neuer Trend”, sondern eine Fortsetzung einer Bewegung, die sich über Jahrzehnte hinweg entwickelt hat.

Ein zentrales Propagandaelement der FPÖ war stets die Ablehnung von Migration. Besonders nach der Flüchtlingskrise 2015, als der Anteil an Ausländern in Österreich stieg, konnte die Partei durch islamfeindliche Rhetorik Stimmen für sich gewinnen. Die FPÖ behauptete, die “österreichische Identität” sei in Gefahr, und sprach damit nationalistische Wähler gezielt an. Auch die Corona-Pandemie und die Impfgegner-Bewegung boten der FPÖ eine Gelegenheit, wirtschaftlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen für sich zu gewinnen und ihre Basis zu erweitern.

Die FPÖ spielte eine Vorreiterrolle für andere europäische rechtspopulistische Parteien wie die AfD in Deutschland, Marine Le Pens “Rassemblement National” in Frankreich, Geert Wilders’ PVV in den Niederlanden und Giorgia Melonis Partei in Italien. Während die FPÖ Teil einer größeren Welle rechtspopulistischer Bewegungen ist, war sie historisch gesehen oft ein Wegbereiter für solche Entwicklungen in anderen Ländern.

Nach den Parlamentswahlen 2024 wurde die FPÖ zur stärksten Kraft in Österreich, verzichtete jedoch darauf, die Regierung zu übernehmen, was viele politische Akteure überraschte. Dies wäre ein eigenes Thema für eine weitere Analyse.

Die Haltung von AfD und FPÖ gegenüber türkeistämmigen Migranten

Beide Parteien verfolgen eine migrationsfeindliche Politik und setzen auf eine “Deutschland/Österreich zuerst”-Strategie. Besonders die FPÖ hat in Zeiten politischer Erfolge türkeistämmige Migranten und Muslime als Hauptargument für ihre Wahlkampagnen genutzt.

Dennoch ist es auffällig, dass sowohl AfD als auch FPÖ gezielt um Stimmen aus der türkeistämmigen Gemeinschaft werben. Hat sich die Haltung dieser Parteien geändert, oder haben sich die türkeistämmigen Migranten selbst verändert?

Teilen und Herrschen

Beide Parteien nutzen eine widersprüchliche Strategie: Einerseits fahren sie eine harte Rhetorik gegen türkeistämmige Migranten, andererseits versuchen sie gezielt, bestimmte Gruppen innerhalb dieser Gemeinschaft für sich zu gewinnen.

AfD und FPÖ wissen genau, dass die türkeistämmige Gemeinschaft nicht homogen ist. Trotz ihrer grundsätzlichen Einwanderungsfeindlichkeit erkennen sie, dass es innerhalb dieser Gruppe Wähler gibt, die sie ansprechen können. Besonders kleine Unternehmer und Selbstständige, die sich über hohe Steuern und steigende Sozialausgaben beklagen, werden gezielt angesprochen.

Ein Beispiel dafür ist die Wahlkampfaussage des FPÖ-Vorsitzenden in Wien, Dominik Nepp:

Nepp griff den SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig an und behauptete: “In Wien hat sich ein System der Ungerechtigkeit entwickelt. Ausländer, die nie in das System eingezahlt haben, profitieren unverhältnismäßig von Sozialleistungen, während viele fleißige Wiener mit steigenden Lebenshaltungskosten kämpfen.”

Besonders bemerkenswert war, dass Nepp zugleich “alteingesessene” Migranten aus Jugoslawien, Osteuropa und der Türkei lobte und ihnen im Gegensatz zu neueren Einwanderern eine “integrationswillige” Rolle zuschrieb.

Diese Strategie zielt darauf ab, Migranten gegeneinander auszuspielen und so ihre Stimmen zu gewinnen.

Veränderung auf beiden Seiten?

Laut Umfragen liegt der Anteil der türkeistämmigen Wähler, die AfD wählen, unter 5 %. In Österreich könnte der Anteil der FPÖ-Wähler aus dieser Gemeinschaft von 3-4 % auf 5 % steigen.

Hat sich die FPÖ verändert, oder die türkeistämmigen Migranten? Beides trifft zu. Besonders aus historischer Perspektive betrachtet, ist die Anpassung der FPÖ an eine neue Realität unvermeidbar.

In Nationalstaaten, die nicht auf ethnischer Homogenität, sondern auf politischer Zugehörigkeit basieren, verlieren Rassismus und Nationalismus langfristig an Bedeutung. Die FPÖ kann sich dieser Entwicklung nicht entziehen. | ©DerVirgül

Yayınlama: 06.03.2025
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