Begegnung in Wien | Fünf AKP-Bürgermeister und Imamoğlu

Wien war im Laufe der Geschichte Schauplatz vieler Begegnungen – manchmal kamen Armeen, manchmal Ideen… Doch dieses Mal ist es anders: Auf der einen Seite steht der vom Wiener Gemeinderat mit Mehrheit verabschiedete Antrag mit dem Titel „Besorgnis über die Entwicklungen in der Republik Türkei“, in dem die Freilassung von Ekrem Imamoğlu gefordert wird. Auf der anderen Seite – fast zeitgleich – fünf AKP-Bürgermeister, die auf Einladung der Stadt Wien zu Besuch kommen. Nicht eine Begegnung, sondern ein Theater des gegenseitigen Schweigens.

In Wien wurde kürzlich eine bemerkenswerte politische Choreografie aufgeführt: Zwei Bilder auf derselben Bühne, zwei verschiedene Botschaften. Und dazwischen ein allzu vertrautes Schweigen: das Schweigen des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig.

Dieses Schweigen geht über diplomatische Höflichkeit hinaus – es ist eine bewusste Entscheidung. Betrachtet man Ludwigs deutliche Stellungnahmen zu Konflikten wie in Israel oder der Ukraine, wird klar: Dass er zu Imamoğlu – einem führenden Oppositionspolitiker in der Türkei – kein Wort verliert, obwohl der Gemeinderat gerade eine eindeutige Resolution verabschiedet hat, ist kein Zufall.

Zur Erinnerung: Am Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel am 7. Oktober 2023 sagte Ludwig: „Der Schutz jüdischen Lebens ist wichtiger denn je.“ Er kündigte zudem an, verletzte Babys aus Gaza in Wien medizinisch behandeln zu lassen – auch wenn daraus kein konkreter Schritt folgte, zeigte er öffentlich seine humanitäre Haltung. Auch beim Ausbruch des Kriegs in der Ukraine bezog er klar Position.

Warum aber fehlt diese Entschlossenheit, wenn es um die Türkei geht?

Zwischen jenen, die sich im Wiener Gemeinderat für Imamoğlus Freilassung einsetzen, und jenen, die das autoritäre Klima in der Türkei repräsentieren, steht dieselbe Institution – das Amt des Bürgermeisters. Und dieses Amt schweigt. In Interviews mit dem ORF hört man ausweichende Antworten, oberflächliche Höflichkeitsfloskeln – und vor allem: Schweigen zur Türkei. Doch auch Schweigen kann eine politische Botschaft sein.

Denn in dieser Situation zu schweigen bedeutet nicht, neutral zu bleiben – im Gegenteil: Es nährt den Verdacht auf eine populistische diplomatische Kalkulation. Oder steht vielleicht schon der Wahlkampf der Union Internationaler Demokraten (UID) zugunsten der SPÖ Wien vor der Tür?

Städte in Europa sind längst nicht mehr nur kulturelle Räume, sondern auch politische Symbolräume. Wenn in einem Land wie der Türkei, in dem ein harter Kampf um Demokratie geführt wird, ein Oppositionsführer durch juristischen Druck aus dem politischen Leben gedrängt werden soll, und ein Stadtparlament sich klar dagegen positioniert, dann erwartet man auch vom Bürgermeister eine ebenso klare Haltung. Andernfalls wirken solche Beschlüsse nicht symbolisch, sondern widersprüchlich.

Wien versteht sich – wie Berlin, Paris oder Brüssel – als Schaufenster der Demokratie in Europa. Wenn aber in diesem Schaufenster die Hand, die für Freiheit plädiert, gleichzeitig jene schüttelt, die Freiheit unterdrückt, verliert es an Glaubwürdigkeit.

Die Causa İmamoğlu ist nicht mehr nur eine Frage für die Türkei – sie ist ein europäischer Demokratietest. Denn Schweigen ist nicht immer Neutralität; manchmal ist es der Name einer bequemen Zusammenarbeit.

Und was heute in Wien widerhallt, sind nicht nur die Schritte einer Delegation – sondern auch die laute Stille eines Schweigens, das mehr sagt als viele Worte.

Yayınlama: 15.04.2025
Düzenleme: 15.04.2025
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