2021 ein Jahr der Extreme
Knapp 50 Grad in Kanada, 49 Grad auf Sizilien und in der Türkei, Regenrekorde von New York bis China, Überflutungen in Deutschland und zuletzt noch verheerende Tornados in den USA: Das Wetterjahr 2021 war reich an Extremen in bisher nicht gekannter Dimension. Über all den Rekorden schwebt wie ein Damoklesschwert der Klimawandel, denn das alles ist wohl erst der Anfang.
Die Erde heizt sich weiter auf. Auch 2021 zählt zu den wärmsten Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen, und der Ausstoß von CO2 hat nach dem coronavirusbedingten Einbruch 2020 fast wieder das Niveau vor der Pandemie erreicht. Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre hat heuer mit über 420 ppm (Teilchen CO2 pro Million Teilchen Luft) einen neuen Höchstwert erreicht. Zum Vergleich: 1990 lag der Wert noch unter 360 ppm. CO2 ist neben anderen Treibhausgasen der Antreiber schlechthin des Klimawandels.
In vielen Ländern wurden heuer neue Hitzehöchstwerte erreicht. Besonders schlimm war es im Sommer in Nordamerika. Der US-Wetterdienst NOAA verzeichnete binnen eines Monats fast 600 neue Allzeitrekorde in den USA, darunter 49 Grad in Palm Springs. Im Death Valley wurden am 9. Juli sogar 54,4 Grad gemessen, die weltweit höchste Temperatur des Jahres. In der folgenden Nacht sank die Temperatur nicht unter 42 Grad, ein so hohes Minimum wurde auf der Erde bisher nur in Oman gemessen.
Knapp 50 Grad in Kanada ohne Klimawandel „unmöglich“
Der global wohl außergewöhnlichste Rekord wurde in der kanadischen Provinz British Columbia aufgestellt, dort kam es Ende Juni zu einer noch nie da gewesenen Hitzewelle. Mit 49,6 Grad im Ort Lytton wurde der kanadische Rekord gleich um fünf Grad pulverisiert, das sind Welten. Seit es Aufzeichnungen gibt, war es so weit im Norden unseres Planeten noch nie so heiß. „Es gibt absolut keinen Zweifel, dass der Klimawandel hier eine entscheidende Rolle gespielt hat“, sagte die Klimaforscherin Friederike Otto von der Universität Oxford.
Wenige Tage nach dem Rekord wurde das Dorf Lytton durch einen Waldbrand fast vollständig zerstört. Mitte November kam es hier im Westen Kanadas dann zu schweren Regenfällen, die zu katastrophalen Überschwemmungen führten. Auch sie wurden von den Behörden mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht.
Hitzewellen und Brände auch in Europa
Auch in Europa gab es im Sommer extreme Hitze, und es brannten große Flächen, so zum Beispiel in Griechenland auf der Insel Euböa und nahe Athen sowie in Süditalien und Nordmazedonien, wo auch österreichische Feuerwehrleute im Einsatz waren. Manche Feuer loderten nahe an beliebten Urlaubsorten und führten zu dramatischen Rettungsaktionen. Stark betroffen von Waldbränden war auch die Türkei. Mit 49,1 Grad in der Stadt Cizre wurde außerdem ein neuer türkischer Hitzehöchstwert erreicht.
Noch weit größere Waldbände gab es in Russland, genauer gesagt in Sibirien. Dort stand zeitweise eine Fläche so groß wie die Schweiz in Flammen, schuld waren extreme Trockenheit und hohe Temperaturen. Russlands Präsident Wladimir Putin nannte das Ausmaß der Naturkatastrophen in seinem Land beispiellos. Der Rauch der sibirischen Brände breitete sich sogar bis zum Nordpol aus.
Mehr als 2.600 Megatonnen CO2 wurden durch Brände frei
Auch in den USA brannten heuer, angefacht durch eine mittlerweile jahrelange Dürre an der Westküste, viele Wälder. Das größte war das „Dixie Fire“, mit einer Ausdehnung von fast 4.000 Quadratkilometern hatte es die Fläche des Burgenlandes. Alleine in Kalifornien wurden im Sommer über 3.500 Gebäude ein Raub der Flammen. Durch die Waldbrände wurden auf der gesamten Nordhalbkugel im Juli und August mehr als 2.600 Millionen Tonnen CO2 frei, so viel wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen, wie der Copernicus-Klimawandeldienst der EU meldete.
Über 30 Grad in Skigebiet
Mit 47 Grad waren auch Griechenland und Spanien nahe an den jeweiligen nationalen Rekorden im Sommer. Die Hitze machte selbst vor Skigebieten nicht halt, in Navacerrada nahe Madrid wurden in 1.900 Meter Höhe 31,2 Grad gemessen, ein Rekord. Anfang des Jahres war Spanien dagegen Schauplatz eines ungewöhnlichen Wintersturms, in Madrid fiel so viel Schnee wie 50 Jahre nicht mehr. Auch die bosnische Hauptstadt Sarajevo erlebte extreme heiße Wochen mit bis zu 39 Grad. Der Juni-Rekord wurde dabei dreimal hintereinander übertroffen, der Juli-Rekord zweimal.
Neuer europäischer Hitzerekord?
Europaweit am heißesten war heuer Sizilien. Nahe der Stadt Syrakus wurden am 11. August an einer Station des regionalen Wetterdienstes 48,8 Grad gemessen, die höchste jemals in Europa registrierte Temperatur. Ob der Wert auch als neuer europäischer Hitzerekord anerkannt wird, ist noch Gegenstand von Untersuchungen.
Die Liste an Hitzerekorden war lang im Sommer, Afrika war auch nicht verschont: 49 Grad in Tunis, der Hauptstadt Tuniens, und in Marrakesch in Marokko. Auf der Arabischen Halbinsel wurden in Oman sogar 51,6 Grad gemessen, zum ersten Mal in der Geschichte. Eine Hitzewelle mitten im Südwinter erlebten Argentinien und Paraguay, über 40 Grad wurden gemessen. Neuseeland erlebte den wärmsten Winter seit Messbeginn, der alte Rekord war gerade einmal ein Jahr alt.
Wärmere Luft, stärkerer Regen
Neben der Zunahme der Hitze finden Klimawissenschaftler in den Wetterdatensätzen auch immer mehr Belege, dass Starkniederschlagsereignisse durch den Klimawandel häufiger werden. Die Physik dahinter ist recht einfach: Wenn es wärmer ist, kann mehr Wasser verdunsten. Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen als kühle, mit jedem Grad Zunahme ungefähr sieben Prozent mehr. Dadurch kann es in weiterer Folge auch mehr und stärker regnen. Wenn dann auch noch Tiefdruckgebiete nur langsam ziehen und längere Zeit ortsfest sind, dann sind enorme Regenmengen möglich.
So geschehen im Sommer im Westen Deutschlands und in den angrenzenden Regionen in Belgien und Luxemburg: Das Tief „Bernd“ brachte außergewöhnlichen Starkregen. Die Folge war extremes Hochwasser. An den Flüssen Ahr und Erft starben 220 Menschen in den Fluten, ganze Landstriche wurden verwüstet. Einer Studie der World Weather Attribution zufolge war das Ereignis mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch eine Folge des Klimawandels.
Regenrekorde in China, Italien und New York
Eine Sintflut fast biblischen Ausmaßes erlebte im Juli auch die zentralchinesische Millionenstadt Zhengzhou. 645 Liter Regen pro Quadratmeter fielen an einem einzigen Tag, so viel wie sonst im ganzen Jahr, und davon über 200 Liter in nur einer Stunde. Alle bisherigen Rekorde wurden gebrochen, die Stadt stand unter Wasser, Menschen ertranken auch in der überschwemmten U-Bahn. Chinesische Meteorologen sprachen von Niederschlägen, wie sie „einmal in 1.000 Jahren vorkommen“.
Italien rückte im Herbst noch einmal in den Fokus, mit einem neuen europäischen Regenrekord in Ligurien. In der Nähe von Genua fielen in nur zwölf Stunden 741 Liter pro Quadratmeter, mehr als zum Beispiel in Wien in einem ganzen Jahr. Wenige Wochen später erlebte Sizilien Unwetter, die Stadt Catania wurde unter Wasser gesetzt.
Land unter hieß es auch in New York: Die Ausläufer des Hurrikans „Ida“ brachten Anfang September extremen Regen, innerhalb von einer Stunde fielen im Central Park 80 Liter Regen pro Quadratmeter, ein neuer Höchstwert. Die Straßen Manhattans waren teilweise hüfthoch unter Wasser. Dabei war der alte Regenrekord keine zwei Wochen davor aufgestellt worden: 49 Liter in einer Stunde im Zuge des Tropensturms „Henri“.
Späte Hitze, Tornados, aber auch frühe Kälte
Die Hitze wollte 2021 auch im Spätherbst nicht enden. Ende November wurden in Griechenland 30 Grad gemessen, und zwar in Chania (Kreta). Nicht am Nachmittag, sondern um 3.00 Uhr. Selbst im Hochsommer wäre das extrem. Bereits im Frühjahr war Kreta Schauplatz der wärmsten April-Nacht der europäischen Geschichte mit einem Tiefstwert von 30,7 Grad. Die späte Hitze erfasste auch das Schwarze Meer und den Kaukasus, wo überall Hitzekorde aufgestellt wurden. Der neue Dezember-Rekord von Aserbaidschan ist mit 29 Grad nun sogar höher als der November-Rrekord.
Zerstörerische Tornados
Ungewöhnlich lange hielt sich die Wärme auch in den USA mit über 30 Grad noch im Dezember in Kalifornien. In Denver, Colorado, ließ der erste Schnee so lange auf sich warten wie noch nie. Erst Mitte Dezember und damit zwei Monate später als normal wurde es das erste Mal weiß.
Im Dezember kam es in den USA außerdem zu zerstörerischen Tornados, besonders schwer getroffen wurde die Stadt Mayfield in Kentucky, wo über 50 Menschen starben. Es war der größte und auch der tödlichste Tornadoausbruch im Dezember in der Geschichte der USA. Normalerweise ist der Höhepunkt der Tornadosaison im April und Mai. Doch die Wetterbedingungen haben im Dezember jenen im Frühling geglichen.
Neben all den Hitzerekorden gab es 2021 aber auch ungewöhnliche Kälte, so in Skandinavien. In Schweden sanken die Temperaturen Anfang Dezember auf bis zu minus 44 Grad, noch nie war es hier so früh im Winter so kalt. In Helsinki war die erste Dezember-Woche die kälteste seit 84 Jahren.
Durch Klimawandel wird es noch schlimmer
Hitze, Brände und Überschwemmungen haben 2021 viele Menschenleben rund um den Globus gekostet, und der Klimawandel kann die Situation in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch verschärfen. Je später die Menschheit gegensteuert, umso teurer wird es.
„Die Situation ist brandgefährlich und kann die Welt an den Rand des Abgrundes führen, wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen“, sagte Georg Kaser, führender Klimaforscher an der Universität Innsbruck, bei den Toblacher Gesprächen im Oktober.
„Zukunft der kommenden Generationen infrage gestellt“
Derzeit steht die Erde bereits bei einer Erwärmung von 1,2 Grad, die Schwelle von 1,5 Grad wird voraussichtlich 2034 durchbrochen. Mit den derzeit weltweit beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen steuern wir bis ans Ende des Jahrhunderts auf eine Plus-drei-Grad-Welt zu mit gefährlichen Folgen der Erderhitzung.
Marc Olefs, Leiter der Klimaabteilung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien, schrieb kürzlich auf Twitter: „Wir stellen wissentlich die Zukunft der kommenden Generationen infrage.“ Dabei weiß man schon lange, was das Problem ist und wie man es lösen kann, nämlich die Emissionen schleunigst zu senken und auf netto null bringen. / Daniel Schrott, ORF-Wetterredaktion