50 Milliarden Steuergeld: Warum dürfen wir nicht wissen, wer Corona-Hilfe bekommt?
Die Regierung pumpt 50 Milliarden Euro in die Rettung von Unternehmen – das ist knapp die Hälfte des gesamten Budgets der Republik. Wer das Steuergeld bekommt, bleibt aber geheim. ÖVP und Grüne stemmen sich gegen eine parlamentarische Kontrolle des Geldregens. Die SPÖ will das nicht akzeptieren und fordert die Einrichtung eines parlamentarischen Unterausschusses.
Von Marco Pühringer
Es ist das größte Hilfspaket der Zweiten Republik. Noch nie wurde so viel Geld an Unternehmen ausgeschüttet, um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern. Knapp die Hälfte der 50 Milliarden Euro an Corona-Hilfsgelder wurden bereits ausgegeben. Doch wer genau wie viel bekommen hat, das darf die Öffentlichkeit nicht erfahren. Nicht einmal das Parlament hat Kontrollrechte bei der Vergabe der Steuergelder. Die Opposition fordert seit April auf einen Corona-Kontrollausschuss im Parlament. Die Regierung kündigte vor dem Sommer mehr Transparenz an, eine Einigung mit der Opposition schien greifbar. Doch jetzt zeigt sich: Die Regierung Kurz-Kogler blockiert weiter die parlamentarische Kontrolle.
DIE STEUERZAHLER HABEN EIN RECHT ZU WISSEN, WAS MIT IHREM GELD PASSIERT
Die SPÖ will das so nicht akzeptieren und startet einen weiteren Anlauf. Sie wird gleich in der ersten Nationalratssitzung nach der Sommerpause am 23. September einen Antrag auf Errichtung eines medienöffentlichen Ausschusses für die Corona-Hilfen einbringen.
„Die Steuerzahler haben das Recht zu wissen, ob die 50 Milliarden Corona-Hilfsgelder bei denen ankommen, die sie brauchen“, sagt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.
Rendi-Wagner macht auch darauf aufmerksam, dass die Kriterien für die Staatshilfen nicht streng genug sind: „Es ist nicht gerecht, dass Firmen, die Staatshilfe in Anspruch nehmen, Manager-Boni auszahlen. Wer Staatshilfen erhält, darf keine Boni oder Dividenden zahlen, keine Steuervermeidung betreiben, und muss Arbeitsplätze sichern.“
FLUGHAFEN WIEN WILL STAATSHILFE TROTZ BONUSZAHLUNGEN FÜR MANAGER
Wie wichtig strengere Kriterien für Staatshilfen wären, zeigen Fälle wie die AUA. Trotz 450 Millionen Euro Staatshilfe wollte die Fluggesellschaft einen Millionen-Bonus an seine Manager ausschütten. Die AUA hat mittlerweile zwar einen Rückzieher gemacht, doch auch das hält andere Unternehmen von so einem Vorgehen nicht ab: Der Flughafen Wien hat etwa auch Prämien an seine Manager ausgeschüttet und plant nun trotzdem Staatshilfen zu beantragen. Das Beispiel zeigt deutlich, wie löchrig die Vorgaben des Finanzministeriums sind. Die Bonuszahlungen wurden lediglich reduziert – das reicht Finanzminister Blümel schon und das teilstaatliche Unternehmen kann trotzdem Bonis an seine Manager ausschütten.
SO UMGEHT DIE REGIERUNG DIE PARLAMENTARISCHE KONTROLLE
Wie viele derartige Fälle es gibt, kann man schwer feststellen, denn schließlich verschweigt die Regierung, welches Unternehmen wie viel bekommt. Auf der anderen Seiten haben Unternehmen, die nichts bekommen, Pech gehabt. Denn die Regierung verteilt zwar viel Geld – einen Rechtsanspruch, wenn gewisse Kriterien erfüllt werden, etwa für staatliche Kreditgarantien gibt es nicht. Verteilt wird ein großer Teil des Gelds nämlich über die Covid-19 Finanzierungsagentur (Cofag). Wer wie viel Geld bekommt, bestimmt die Cofag – und sie muss auch dem Parlament keine Rechenschaft ablegen. Der Grund dafür: Sie wurde als GmbH gegründet und ist damit der parlamentarischen Kontrolle entzogen.
Die Regierung verteilt also Milliarden Euro Steuergeld an Unternehmen, informiert aber nicht einmal die demokratisch gewählten Volksvertreter über Höhe und Empfänger.
Das kritisieren sogar Experten aus den Blümel-Ministerium. Die beiden Spitzenbeamten aus dem Finazministerium Peter Brandner und Heinrich Traumüller fanden überraschend klare Worte zur Cofag-Lösung der Regierung. Auch wenn der Staat bei der Cofag in Form einer GmbH handelt müsse „eine zeitnahe, transparente und möglichst umfassende parlamentarischen Kontrolle dieser außergewöhnlichen und milliardenschweren Subventionsvergabe voll gewährleistet sein“, so Brandner und Traumüller. In einem Beitrag für die Fachzeitschrift „SWK“.
EIGENE GMBH, UM ÖVP UND GRÜNE ZU VERSORGEN
Ein weiterer „Vorteil“ der Cofag-Lösung: Mit der Gründung einer GmbH gab es neue Posten zu besetzen. Natürlich hat die Regierung gleich zwei Geschäftsführer eingesetzt, um ÖVP und Grüne zu bedienen. Für die ÖVP sitzt Bernhard Perner in der Cofag. Er arbeitete von 2013 bis 2019 im Kabinett von verschiedenen ÖVP-Finanzministern. Sein Gegenüber ist Marc Schimpel – ehemaliger Klubmitarbeiter der Grünen, er war etwa im Team von Werner Kogler beim Hypo-Untersuchungsausschuss.
ECHTE TRANSPARENZ STATT SCHEINKONTROLLE
Den Cofag-Geschäftsführern wurde zwar ein Beirat zur Seite gestellt, der Kontrolle garantieren soll – der ist aber zahnlos. Zum einen, weil er prinzipiell keine Entscheidungen verhindern kann, sondern nur aufschieben. Zum anderen, weil er erst bei Haftungen über 25 Millionen Euro informiert werden muss. Außerdem unterliegt der Beirat dem Bankgeheimnis und darf keine Auskünfte an die Öffentlichkeit geben. Ursprünglich hätte jede Parlamentspartei in diesem Gremium einen Sitz bekommen sollen – SPÖ, FPÖ und Neos lehnten aber aufgrund der kaum vorhanden Kontrollrechte ab. Stattdessen fordern sie einen Corona-Unterausschuss im Parlament, der der Opposition Einsicht in alle Ausgaben der Corona-Maßnahmen bringt. Doch die Regierung nimmt die Weigerung der Opposition, den Beirat zu beschicken als Vorwand, um den parlamentarischen Unterausschuss zu blockieren.
CORONA-AUSSCHUSS DRINGEND NÖTIG
Ein solcher Unterausschuss hätte den Vorteil, dass alle 50 Milliarden inklusive der Summe, die die Cofag abwickelt, vom Parlament kontrolliert werden kann. An der Hilfe selbst würde sich wenig ändern – ÖVP und Grüne hätten ja noch immer ihre Regierungs-Mehrheit. Der einzige Unterschied: Das Parlament wüsste Bescheid, was mit den Steuergeldern der Bevölkerung passiert und Günstlingswirtschaft wäre schwerer möglich.
WARUM VERGIBT DIE WIRTSCHAFTSKAMMER DEN HÄRTEFALLFONDS?
Doch nicht nur die Cofag ist eine seltsame Konstruktion, um intransparent Geld zu verteilen – am Parlament vorbei. Denn genau wie bei der Cofag stellt sich auch beim Härtefallfonds die Frage: Warum macht das nicht einfach das Finanzministerium? Schließlich haben die dortigen Beamten Erfahrung im Prüfen von Unternehmen und sowieso Zugang zu Steuerakten. Doch der Härtefallfonds für Selbstständige wird stattdessen von der Wirtschaftskammer verteilt. Auch hier gibt es keinen Rechtsanspruch auf Geldmittel. Dafür haben die Wirtschaftskammer und ihre Funktionäre plötzlich Zugang zu Tausenden Daten von Unternehmen in Not.
Die Wirtschaftskammer bekommt also alle Daten von jedem Unternehmen, das Hilfe vom Härtefall-Fonds will – die Öffentlichkeit darf aber nicht einmal wissen, welchem Konzern Steuergeld überwiesen wird./ kontrast.at