Arbeitszeit: Wenn der All-in-Vertrag zur Überstunden-Falle wird
Laut Gewerkschaft GPA werden 44 Prozent der All-in-Arbeitnehmer unterbezahlt. 77.695 Fälle wurden analysiert. Die Mitarbeiter sind meist schlecht informiert.
Mindestens 540.000 Arbeitnehmer in Österreich haben sogenannte All-in-Verträge. Sie beziehen ein Pauschalgehalt, das sich aus dem Grundgehalt (meist nach dem Kollektivvertrag) und aus einer Überzahlung für die Abgeltung von Mehr- und Überstunden zusammensetzt.
„Leider sind All-in-Verträge für viele Arbeitnehmer ein Nachteil, für viele wurden sie zur Falle“, sagt Barbara Teiber, Chefin der Gewerkschaft für Privatangestellte (GPA). „Seit der Einführung des Arbeitszeitverlängerungsgesetzes im September 2018 auf bis zu 60 Wochenstunden hat sich die Problematik verschärft. Es braucht mehr Aufklärung, was erlaubt ist und was nicht.“
Die GPA hat 77.695 Anfragen von Arbeitnehmern analysiert, die ihre Pauschalverträge mit dem All-in-Rechner (www.allinrechner.at) der Gewerkschaft abgeglichen haben. Die meisten Anfragen kamen aus der Metallindustrie, der Elektro- und Elektronik-Sektor und der IT-Branche. Das Fazit: „44 Prozent der Nutzer fallen um einen Teil ihres Gehalts um“, sagt GPA-Expertin Christina Höferl. Das heißt, sie sind tatsächlich unterbezahlt.
147 Euro Verlust im Monat
An einem Fallbeispiel, einer weiblichen Führungskraft in der Metallbranche mit 4300 Euro brutto Monatsgehalt und 45 Wochenstunden, rechnet Höferl vor, dass die Dame eine Stunde in der Woche gratis arbeitet. Oder anders gesagt: Pro Monat verliert sie 147 Euro.
Generell habe sich die Situation der Arbeitnehmer mit der 60-Stunden-Woche verschlechtert. „Die Leute müssen für dasselbe Gehalt heute mehr arbeiten“, sagt Höferl.
Viele Arbeitnehmer wissen nicht, so die GPA, dass der Arbeitgeber vom Gesetz her die Überstundenpauschale und die tatsächlich geleisteten Einzelstunden berechnen und vergleichen muss. Das heißt im Fachjargon Deckungsprüfung. Der Durchrechnungszeitraum ist in der Regel ein Jahr.
Differenz nachzahlen
Ergibt sich dabei eine Differenz zum Nachteil des Arbeitnehmers, müssen diese geleisteten Stunden nachträglich bezahlt werden. Alle All-in-Verträge, die vor der Arbeitszeitverlängerung im September 2018 abgeschlossen wurden, beinhalten laut GPA in der Regel eine Arbeitszeit von zehn Tagesstunden und 50 Wochenstunden. Dazu kommt eine pauschale Abgeltung von maximal 320 Überstunden pro Jahr.
Alle Pauschalverträge, die nach dem 1. September 2018 abgeschlossen wurden, ermöglichen eine Pauschalierung von bis zu 416 Überstunden. Oder anders gesagt: Heute dürfen also maximal acht Überstunden pro Woche gearbeitet werden.
Nur für Führungskräfte
Das Hauptproblem ist, dass viele glauben, dass sie heute tatsächlich 60 Stunden arbeiten müssen“, sagt Teiber. Obwohl im Gesetz vorgesehen ist, dass ab der elften Arbeitsstunde die Freiwilligkeit des Arbeitnehmer Voraussetzung für die Überstunden ist, geben viele Dienstnehmer klein bei. Sie fürchten, dass sie ihren Job verlieren könnten. „Es traut sich kaum jemand zu sagen, die elfte oder zwölfte Stunde verweigere ich oder ich will Zeitausgleich“, sagt Teiber. Laut GPA haben nämlich auch All-in-Arbeitnehmer ein Wahlrecht zwischen einer Abgeltung der Überstunden und Zeitausgleich. Doch der Zeitausgleichsanspruch wird von Arbeitgebern oft negiert.
„Wir sehen, dass All-in-Verträge in einzelnen Branchen mittlerweile Standard sind“, sagt die GPA-Chefin. „Wir fordern daher, dass All-in-Verträge auf Führungskräfte ab einer Entgelthöhe von 5000 Euro beschränkt werden.“ /kurier.at
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