Caritas-Präsident: “Schlange vor Suppenbus muss kürzer werden”
Breite Kritik an Regierungsentwurf zu neuer Mindestsicherung. Hilfsorganisationen warnen vor Kinderarmut, Richter vor Kriminalität.
” Schlangen vor den Suppenbussen müssen kürzer werden und nicht länger.
” Was Caritas-Präsident Michael Landau damit sagen will: Der Gesetzesentwurf der Regierung zur Neuregelung der Mindestsicherung ist diesem Ziel nicht zuträglich.
“Fordern und Fördern ist hier ein guter Ansatz, also etwa Arbeit, von der man leben kann.
Aber eine Mindestsicherung, die vor Armut schützt, muss sich an der konkreten Lebensrealität der Menschen orientieren, sodass ein Leben in Würde möglich ist”, sagt Landau zum KURIER.
Landau ist mit dieser Kritik nicht allein: Bis Montag wurden auf der Parlaments-Website mehr als 20 Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf abgegeben – und drei Punkte sind für die Kritiker besonders gravierend: Die Staffelung bei Mehrkindfamilien, die Kürzung bei verurteilten Straftätern und die Deutschpflicht.
Am Donnerstag endet die Begutachtungsfrist, die Regierung kann dann noch Änderungen am Gesetz vornehmen, bevor es beschlossen wird.
Laut Entwurf ist geplant, dass Bezieher der Mindestsicherung für das zweite Kind nur noch 129 Euro (statt bisher 215 für jedes) und ab dem dritten nur noch 43 Euro erhalten sollen.
“Die Kürzungen werden die Armutssituation vieler Familien verschärfen”, meint etwa Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Roten Kreuzes. Minderjährige würden in eine dauerhafte Notlage gebracht.
Weniger für Straftäter
Noch drastischer drückt es Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe, aus: “Der Regierung sind Kinder nicht mal das Mindeste wert.
” Er sieht im neuen Gesetzesentwurf eine “Gefährdung des sozialen Zusammenhalts” und die „Zerstörung des Selbstwertgefühls“ der Betroffenen.
Zudem gibt es Kritik am Vorhaben der Regierung, neben subsidiär Schutzberechtigten auch vorzeitig entlassene Straftäter ab einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten für diesen Zeitraum von der Mindestsicherung auszuschließen.
Sie hätten demnach lediglich Anspruch auf eine Grundversorgung von maximal 365 Euro – davon müssen sie auch die private Wohnung finanzieren.
In einer Stellungnahme des für Bewährungshilfe und Sozialarbeit zuständigen Vereins Neustart wird das als viel zu wenig bewertet.
Die Grundversorgung sei hauptsächlich für Asylwerber konzipiert, die in organisierten Unterkünften versorgt werden.
Für die Finanzierung einer privaten Mietwohnung sei der Betrag jedoch viel zu gering und der Ausschluss von der Sozialhilfe daher eine „Nebenstrafe“.
Neuer Fleckerlteppich
Dem schließt sich Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, an.
“Die Kürzung trägt nicht zur gewünschten Resozialisierung bei – im Gegenteil: Sie steht ihr entgegen.” Ohne Wohnung und Perspektive drohen Betroffene erst recht wieder in Kriminalität abzugleiten.
Ganz abgesehen von den praktischen Aspekten mahnt die Richterin: “Die Sanktionierung von Straftaten ist ausschließlich Aufgabe der Justiz und nicht des Sozialsystems.”
Die Diakonie sieht im Gesetz, das eine bundesweite Vereinheitlichung zum Ziel hätte, einen neuerlichen Fleckerlteppich: Für die Länder gibt es etliche Kann-Bestimmungen, etwa bei den Sachleistungen.
Für manche Länder bedeute dies einen “Verschlechterungszwang”, für andere ein “Verbesserungsbelieben” – für die Betroffenen bliebe unterm Strich aber wohl eines: weniger Geld.
Das Rote Kreuz ortet bei der Kürzung für jene, die nicht Deutsch sprechen, eine versteckte Diskriminierung: der Paragraf ziele zwar nicht direkt auf Asylberechtigte ab, da der Großteil der Österreicher jedoch ausreichende Deutschkenntnisse aufweisen könne, seien im Endeffekt nur jene Menschen betroffen, die noch nicht lange in Österreich sind/ J. Arends, R. Lindorfer/KURIER