Der brutalste Ort ist das eigene Zuhause
Der Fall Roman Rafreider, dem die Ex-Liebe Misshandlungen und Drohungen vorwirft, bringt ein Thema aufs Tapet, das jede fünfte Frau in Österreich betrifft: häusliche Gewalt.
Wenn sich die Straßen leeren und die Lichter hinter den Fenstern angehen, kehrt Ruhe ins Land. Doch es ist eine trügerische Ruhe. Denn die Szenen, die sich in vielen Familien hinter den Jalousien abspielen, sind erschütternd.
Jede fünfte Frau Opfer von Gewalt
Jede fünfte Frau ist Opfer von Misshandlungen, muss körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt erfahren. Nicht durch Unbekannte. Sondern durch Familienangehörige – etwa den Partner, den Ehemann oder den Ex.
„Viele Menschen denken, Gewalt kommt in erster Linie von außen. Das ist Unsinn. Die innerfamiliäre Gewalt ist deutlich in der Mehrzahl. Etwa auch bei Sexualverbrechen an Kindern, was besonders schrecklich ist“, weiß Dr. Georg Psota, Chefarzt der Psychosozialen Dienste und einer der Supervisoren des Frauennotrufes. Hinzu kommt eine neue Form der Gewalt, die Cyberkriminalität. Wo Drohungen, Einschüchterungen und Überwachung über Smartphone und Internet stark im Vormarsch sind.
„Mit dem ersten Gewaltakt beginnt in der Regel eine Spirale, die immer schlimmer wird und nicht von selbst aufhört“, sagt Psota.
Hilfe für Opfer und Täter
Doch es gibt einen Ausweg: Hilfe in Anspruch nehmen! Was nicht nur für die Opfer gilt, sondern auch für die Täter, die sich etwa an die Männerberatung wenden oder Anti-Aggressions-Trainings machen können.
Hilfe in Anspruch nehmen – oft leichter gesagt als getan. Denn viele Frauen haben Angst, auch um ihr Leben. Allein im ersten Halbjahr 2018 wurden in Österreich 16 Morde an Frauen durch den Ehemann oder (Ex-)Partner begangen. Dazu kommt oft eine ökonomische Abhängigkeit vom Partner. Und nicht zuletzt auch die Scham.
Gewalt betrifft alle Schichten
Dabei zieht sich häusliche Gewalt durch alle gesellschaftlichen Schichten, wie zuletzt die Dramen um ORF-Moderator Roman Rafreider oder Hollywood-Star Nicolas Cage zeigten. Rafreider, dem seine Ex-Freundin Drohungen und Schläge vorwirft, betrifft eines von 5660 Betretungsverboten, die bis dato 2018 ausgesprochen wurden. Cage soll seine Ex-Freundin am 20. September in Wien misshandelt haben.
Möglich wurden Täter-Wegweisungen erst 1997 durch das Gewaltschutzgesetz, das nun von einer Taskforce verbessert werden soll. Dabei geht es neben Strafverschärfungen um besseren Opferschutz und verstärkte Täterarbeit.
Frauenhaus gibt Schutz
Im November 1978 eröffnete im neunten Wiener Gemeindebezirk das erste Frauenhaus Österreichs, das eigentlich eine große Wohnung war.
Innerhalb kürzester Zeit war sie voll belegt. Mittlerweile gibt es bundesweit 26 Häuser, in denen gewaltbetroffene Frauen und Kinder Schutz, Unterkunft und Unterstützung finden. Die Standorte sind meist geheim. 1634 Frauen mit 1707 Kindern nahmen dieses Angebot im Vorjahr in Anspruch.
„Bei uns können die Betroffenen wieder zu Kräften kommen, ihr Leben neu ordnen. Wir erarbeiten auch Sicherheitspläne mit den Frauen“, sagt Eva Zenz vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser. Deren berührender Spot „Keine Ausreden bei Gewalt“ wurde am Montag in Wien vom Fundraising-Verband zum „Werbespot des Jahres“ gekürt.