„Der Koran ist gefährlicher als Corona“ – Vom FPÖ-Politikwandel bis zum ATIB-Iftar

| Adem Hüyük
Die Iftar-Einladung, die am Freitag vom österreichisch-türkischen Islamverband [ATIB] im ATIB-Zentrum im 10. Wiener Bezirk veranstaltet wurde, ist eine traditionelle Organisation, die jedes Jahr im Ramadan stattfindet. Doch dieses Jahr gab es eine historische Premiere.
Wie gewohnt lud ATIB Vertreter von Zivilgesellschaftsorganisationen sowie bekannte muslimische Politiker der SPÖ zu seinem Iftar ein. Neu war jedoch, dass neben dem neuen Botschafter und Generalkonsul auch Leo Lugner, der Bezirksobmann der als rechtsextrem geltenden Freiheitlichen Partei Österreichs [FPÖ] in Wien, anwesend war.
FPÖs Sicht auf Muslime – Was hat sich geändert?
Die FPÖ ist in Österreich für ihre harte und migrationsfeindliche Haltung gegenüber dem Islam und Muslimen bekannt. Die Partei betrachtet den Islam als unvereinbar mit der kulturellen und gesellschaftlichen Struktur Österreichs und stellt dies in den Mittelpunkt ihrer Integrationspolitik.
Als die FPÖ 2018 Teil der Regierung war, wurde das „Zentrum zur Bekämpfung des politischen Islam“ ins Leben gerufen, um islamistische Organisationen zu überwachen.
Im Wiener Landtagswahlkampf 2020 äußerte sich der damalige FPÖ-Chef Norbert Hofer mit einer kontroversen Aussage bei einer Kundgebung in der Favoritenstraße: „Der Koran ist gefährlicher als Corona.“ Diese Worte zeigten deutlich, wie scharf der Blick der FPÖ auf den Islam war.
In letzter Zeit jedoch ist ein spürbarer Wandel in der FPÖ-Rhetorik gegenüber Türken in Österreich erkennbar. Die Partei scheint gezielt nationalistische und konservative türkische Wähler anzusprechen, indem sie statt „Islam“ zunehmend den Begriff „politischer Islam“ verwendet und einen gemäßigteren Ton anschlägt.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die FPÖ ihre migrationskritische Politik vollständig aufgegeben hat. Vielmehr verfolgt sie einen pragmatischen Ansatz, um eine bestimmte Gruppe der türkischen Gemeinschaft für sich zu gewinnen.
Bewertung aus ATIB-Perspektive
Die FPÖ galt lange Zeit als Schreckgespenst für Moscheen und islamische Organisationen in Österreich. Doch warum wurde nun ein FPÖ-Politiker zum ATIB-Iftar eingeladen?
Die Antwort auf diese Frage könnte in der Strategie von ATIB und der als Auslandsorganisation der AKP bekannten Union Internationaler Demokraten [UID] liegen. Die enge Verbindung zwischen dem UID-Vorsitzenden in Österreich sowie weiteren Funktionären mit dem FPÖ-Politiker Leo Lugner gibt Anlass zur Überlegung, wann genau dieser Wandel eingeleitet wurde.
Letztendlich steht die türkische Gemeinschaft in Österreich vor einer entscheidenden Frage: Ist das plötzliche Interesse der FPÖ an türkischen Wählern Ausdruck einer echten Annäherung – oder handelt es sich lediglich um politischen Pragmatismus im Zeichen des Eigeninteresses? | Der Virgül / Foto | SN Media