Drogen, Gewalt- und Terrornâhe: Wer war der Tâter von Utrecht?
Nach dem Attentat mit drei Toten gehen die Sicherheitsbehörden extremistischen Motiven nach.
Duygu Özkan
Am Nachmittag war von einem Schriftstück die Rede. Zwar suchte die niederländische Polizei trotz dieses Fundes weiter nach den genauen Motiven des mutmaßlichen Täters, sprach dann aber schon von einem Terrorverdacht. Für einen derartigen Hintergrund würde zum einen die Art und Weise des Attentats sprechen, und zum zweiten eben das Schreiben, das im gestohlenen Fluchtauto gefunden wurde. Nähere Angaben machte die Polizei zunächst nicht.
Der mutmaßliche Attentäter: Gökmen T., 37 Jahre alt, in der türkischen Provinz Yozgat geboren, aber in den Niederlanden aufgewachsen. Die Polizei konnte ihn nach einer stundenlangen Jagd in Utrecht ausfindig machen, seither befindet er sich in Gewahrsam.
In den nächsten Tagen soll er dem Haftrichter vorgeführt werden. Bei T. soll es sich um jenen Mann handeln, der am Montagmorgen in einer Utrechter Straßenbahn um sich schoss und drei Menschen tötete. Sieben weitere liegen zum Teil schwer verletzt im Spital. Das Attentat passierte nur wenige Tage nach der Massenmord eines Rechtsextremisten in einer neuseeländischen Moschee mit 50 Toten.
Am Dienstag gedachte das niederländische Parlament der Opfer beider Anschläge. Passanten, Angehörige und Trauernde legten am Tatort, bei der Straßenbahnhaltestelle 24 Oktoberplein, Blumen nieder, an vielen Gebäuden wehten die Fahnen auf Halbmast. Inwieweit Gökmen T. mit einer extremistischen Gruppe in Verbindung stand, ist noch Gegenstand von Ermittlungen. Türkische Medien berichten, dass sich ein Bruder von T. nach Tschetschenien abgesetzt und dort ein Auge verloren habe – womöglich bei Kriegshandlungen.
Anderen Quellen zufolge soll T. selbst in Tschetschenien gewesen sein. Den niederländischen Behörden ist T. jedenfalls bekannt, das bestätigte die Polizei: „Wir wissen relativ viel über ihn.“ Ob er tatsächlich einmal aufgrund des Verdachts der Mitgliedschaft in einer Terrorzelle befragt wurde, wie zahlreiche Zeitungen schreiben und sich auf Insider berufen, ist indessen unklar.
Versuchte Vergewaltigung
T. soll erst vor Kurzem nach einer versuchten Vergewaltigung vor einem Richter gestanden haben. Häusliche Gewalt und „Familienprobleme“ wurden zunächst als mögliche Motive von T. genannt, nachdem türkische und niederländische Medien Kontakt zu den Angehörigen des mutmaßlichen Täters aufgenommen hatten. Sein Vater, der nach der Scheidung von seiner Frau vor über einem Jahrzehnt zurück in die Türkei zog, will mit seinem Sohn jahrelang nicht gesprochen haben. Mit Mitte 20 habe sich T. mit seiner Cousine verlobt, aber die Trennung sei schon bald erfolgt, berichtet der Vater. „Ich kann nicht wissen, in welchem psychologischen Zustand er sich befindet. Wenn er das getan hat, soll er die Strafe dafür erhalten.“ Eine ehemalige Partnerin von T. sagte niederländischen Medien, dass es sich bei dem 37-Jährigen um „einen Psychopathen“ handle, wie sie der Polizei schon oft mitgeteilt habe. Sie berichtet auch von Drogenmissbrauch.
Jetzt tauchte ein Video aus dem Jahr 2011 auf, die T. als Teilnehmer einer Straßenumfrage des Portals „GeenStijl“ zeigt. Dabei pöbeln zwei Männer – bei einem von ihnen soll es sich um T. handeln – die Moderatorin an und machen abfällige Bemerkungen über ihren „offenen“ Kleidungsstil.
In die Causa schaltete sich nun auch der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, ein. Ankaras Geheimdienst habe ebenfalls Ermittlungen aufgenommen und gehe insbesondere dem Terrorverdacht nach.
Fußballclub trauert um Trainer
Neben dem Hauptverdächtigen hält die Polizei derzeit zwei weitere Verdächtige (27 und 23 Jahre alt) in Gewahrsam. Bei T. hätten die Ermittler bei der Razzia auch mindestens eine Schusswaffe gefunden, hieß es. Zu den Opfern in der Straßenbahn habe er keine persönliche Beziehung gehabt.
Etwa zu der 19-jährigen jungen Frau aus der Gemeinde Vianen, die in einem Kaffeehaus gearbeitet hat. Sie gehört zu den Opfern. Bei den beiden anderen handelt es sich um zwei Männer im Alter von 28 und 49 Jahren. Der Ältere, ein dreifacher Familienvater, wirkte im lokalen Club Desto als Fußballtrainer. Augenzeugen berichten, wie der Täter zunächst auf eine Frau schoss und anschließend eine andere anvisierte – allerdings schien die Schusswaffe zu klemmen. Der Attentäter versuchte es erneut und verletzte die Frau an der Schulter. Auf Facebook schrieb die Betroffene Medienberichten zufolge: „Ich bin ok.“/ Die Presse