Erdogan: Delegationstreffen zwischen der Türkei und Russland erfolgreich
Am Freitag Nachmittag traf der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Sotschi zu seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein.
Putin hat sich bei seinem Treffen mit dem türkischen Staatschef Erdogan für die Unterzeichnung eines Abkommens zur Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Länder ausgesprochen. „Ich hoffe, dass wir heute ein entsprechendes Memorandum über die Entwicklung unserer Handels- und Wirtschaftsbeziehungen unterzeichnen können“, sagte Putin am Freitag bei dem Treffen in der russischen Schwarzmeer-Hafenstadt.
„Ich glaube, dass (das heutige Treffen) eine ganz neue Seite in den türkisch-russischen Beziehungen aufschlagen wird“, sagte Erdogan. Er fügte hinzu, dass insbesondere der Konflikt in Syrien zur Sprache kommen werde. Die Türkei hält bereits Gebiete in Nordsyrien besetzt und begründet eine erneute Offensive mit „terroristischer Bedrohung“ von Seiten der syrischen Kurdenmiliz YPG, die Ankara als Terrororganisation ansieht.
Schon beim vergangenen Treffen von Erdogan und Putin Mitte Juli hatte der russische Präsident klar gemacht, dass er die türkischen Pläne ablehnt. „Die Türkei hat aus Sicherheitsgründen berechtigte Interessen, die wir natürlich berücksichtigen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor dem Treffen am Freitag. Es sei aber „sehr wichtig, keine Maßnahmen zuzulassen, die zu einer Destabilisierung der Situation in Syrien führen oder die territoriale und politische Integrität Syriens gefährden könnten“.
Militärische Zusammenarbeit möglich
Erdogan hatte bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gesagt, er schließe Waffengeschäfte mit Russland nicht aus. Russland interessiert sich beispielsweise für die vom ukrainischen Militär erfolgreich eingesetzte türkische Kampfdrohne Bayraktar TB2. Putin habe vorgeschlagen, gemeinsam mit der Türkei an den Drohnen des Unternehmens Baykar zu arbeiten, sagte Erdogan nach Angaben des Senders CNN Türk.
Erdogans Schwiegersohn Selcuk Bayraktar ist technischer Direktor (CTO) des Unternehmens. Dessen Bruder Haluk, CEO von Baykar, ist ein prononcierter Unterstützer der Ukraine und hatte in einem CNN-Interview im Juli dem Verkauf von Bayraktar-Drohnen an Russland eine Absage erteilt.
Türkei sieht sich in Vermittlerrolle
Putin hatte Erdogan im Vorfeld für die Vermittlung zum Abschluss des Getreideabkommens in einem Statement in Sotschi gedankt. Die Türkei pflegt sowohl zur Ukraine als auch zu Russland enge Beziehungen und sieht sich als Vermittler zwischen beiden Parteien. Erdogan und Putin hatten sich zuletzt Mitte Juli in Teheran getroffen – unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei einigten sich beide Kriegsparteien zuletzt, die Ausfuhr von Getreide aus drei blockierten, ukrainischen Häfen wieder aufzunehmen.
Am vergangenen Montag lief dann ein erstes mit Mais beladenes Schiff aus dem Hafen von Odessa aus. Weitere Schiffe sollen folgen. Wegen des Krieges waren in den vergangenen Monaten alle Getreideexporte der Ukraine aus ihren Schwarzmeer-Häfen blockiert.
Der Getreidedeal gilt als „großer diplomatischer Sieg“ für Erdogan, schreibt etwa die deutsche Nachrichtenseite WELT. Und auch Moskau profitiert von dem Deal, da dadurch der Ärger der östlichen Verbündeten über die gestiegenen Lebensmittelpreise zurückgeht.
Wirtschaftliche Interessen im Hintergrund
Hinter den Bemühungen des türkischen Präsidenten, weiterhin diplomatische Beziehungen zu Russland zu pflegen, stecken freilich auch wirtschaftliche Interessen. Russisches Erdgas machte im vergangenen Jahr 45 Prozent der Gaseinkäufe der importabhängigen Türkei aus, die aufgrund der Dürre und der damit verbundenen Steigerung der gasbetriebenen Stromerzeugung ein Rekordniveau erreichten.
Der russische Nuklearkonzern Rosatom baut außerdem ein Kernkraftwerk in Akkuyu in der Südtürkei, das laut Putin nächstes Jahr in Betrieb gehen soll. Das Kraftwerk soll bis zu 10 Prozent des türkischen Energiebedarfes decken und wird noch mehrere Jahrzehnte lang von Rosatom betrieben und verwaltet werden.
Hinzu kommt, dass nächstes Jahr die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei anstehen, und sich die türkische Wirtschaft gerade mit knapp 80 Prozent einer beispiellosen Inflation ausgesetzt sieht. Tourismus gilt als eine der wichtigsten stabilen Einnahmequellen – und 2019 kamen mit sieben Millionen Russinnen und Russen am meisten Touristinnen und Touristen aus Russland, wie die Agentur Reuters meldete.| © ORF