Erneut heftiges Erdbeben in der Südosttürkei
Ein Erdbeben der Stärke 6,4 hat am Montag die südosttürkische Provinz Hatay erschüttert.
Das Epizentrum lag im Bezirk Samandag in der Provinz Hatay, wie die Erdbebenwarte Kandilli in Istanbul am Montag mitteilte. Die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad sprach sogar von zwei Beben in Hatay der Stärke 6,4 und 5,8. Sie meldete außerdem mehrere Nachbeben.
Afad rief die Menschen dazu auf, von den Küsten fern zu bleiben. Der Meeresspiegel könne um bis zu einen halben Meter ansteigen.
Wieder Erbeben in Südosttürkei: Menschen liefen in Panik auf Straßen
Der Sender CNN Türk berichtete, die Menschen seien in Panik auf die Straße gelaufen, zudem sei in Hatay der Strom ausgefallen. Der Bürgermeister von Hatay, Lütfü Savas, warnte, die Erdbeben gingen weiter. Via Twitter rief er dazu auf, sich von einsturzgefährdeten Gebäuden fernzuhalten. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi berichtete, das staatliche Krankenhaus in der Küstenstadt Iskenderun werde evakuiert.
Das Beben war Medienberichten zufolge auch in den umliegenden Provinzen, im Norden Syriens, in Israel, im Irak und im Libanon zu spüren. In mehreren Orten nahe der Stadt Aleppo seien erneut Häuser eingestürzt, sagte eine Sprecherin der Hilfsorganisation SAMS. Darunter sei auch die Kleinstadt Dschindiris nahe der türkischen Grenze, die schon vor zwei Wochen stark von den Beben getroffen wurde. In mindestens vier Kliniken der Organisation seien neue Opfer eingetroffen – darunter ein Kind mit Herzstillstand, das reanimiert werden konnte. Ob in der Türkei Häuser einstürzten, war zunächst unklar.
Ein Bewohner aus der Nähe der syrischen Stadt Aleppo sagte, das Beben sei so stark gewesen wie das vor zwei Wochen, habe aber nicht so lang gedauert. “Es hat die Menschen verängstigt und auf die Straße rennen lassen”, sagte der Mann namens Abdel Kafi. “Viele Menschen haben ihre Häuser verlassen und ziehen durch die Straßen in Angst, dass weitere (Erdbeben) folgen werden”, darunter auch in der syrischen Hauptstadt Damaskus, schrieb die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) für die Region, Rula Amin, bei Twitter.
Zehntausende Tote nach schweren Erdbeben Anfang Februar
Am 6. Februar hatte frühmorgens ein Beben der Stärke 7,7 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6. Das Epizentrum lag in beiden Fällen in der südtürkischen Provinz Kahramanmaras. Mehr als 47.000 Menschen starben, davon mehr als 41.000 in der Türkei.
Weiterhin prekär ist die Versorgungslage vor allem im Westen Syriens, wo bisher rund 5.900 tote Menschen in Zusammenhang mit den verheerenden Beben gezählt worden sind. In dem Land sind nach Angaben der Vereinten Nationen 8,8 Millionen Menschen von den Folgen der Erdbebenkatastrophe betroffen. “Die Mehrheit von ihnen benötigt voraussichtlich irgendeine Form von humanitärer Unterstützung”, schrieb die stellvertretende UNO-Syrienbeauftragte Najat Rochdi am Sonntag bei Twitter. Aktivisten und Helfer in den Rebellengebieten im Nordwesten Syriens hatten in den Tagen nach den Beben vom 6. Februar mangelnde Hilfe der UNO beklagt.
NATO hilft bei Notunterkünften in der Türkei
Mit Unterkünften helfen wird die NATO. Im Mitgliedsland Türkei wird ein Camp mit Notunterkünften für mindestens 4.000 Menschen aufgebaut. Sonntagabend hat ein Frachtschiff mit 600 Containern dafür den Hafen der italienischen Stadt Taranto – der extra dafür geöffnet blieb – verlassen, teilte ein Bündnissprecher mit. Es soll im Laufe der Woche in der Stadt Iskenderun ankommen. Außerdem koordiniert die NATO eine Luftbrücke für den Transport von Zelten aus Pakistan in die Türkei. Durch das Erdbeben vor rund zwei Wochen wurden nach Regierungsangaben rund 225.000 Wohnungen zerstört oder stark beschädigt.
Die Katastrophe hat die Region in vielerlei Hinsicht schwer getroffen. Welche Folgen sich etwa für Schüler und den Unterricht ergeben werden, ist kaum absehbar. 600 Schulen seien allein in Syrien zerstört worden, sagte Yasmine Sherif, Direktorin des UN-Fonds Education Cannot Wait (ECW), dem TV-Sender Al Jazeera. Aus dem Fonds sollen sieben Millionen US-Dollar (etwa 6,5 Mio Euro) an Notfallzuschüssen kommen, um Kindern in Syrien auch weiterhin den Zugang zu Bildung zu ermöglichen.
Rettungseinsätze neigen sich dem Ende zu
Einige Rettungseinsätze an und Stelle Ort, wo auch Aufräumarbeiten begonnen haben, neigten sich nun dem Ende entgegen. So beendete etwa ein Such- und Rettungsteam aus Katar seinen zweiwöchigen Einsatz in der Südtürkei, wie die katarische Nachrichtenagentur QNA berichtete. Der türkische Katastrophenschutz Afad gab am Sonntag bekannt, dass die Sucharbeiten in neun der elf betroffenen Provinzen beendet seien. Nur in Kahramanmaras und Hatay werde weiter nach Verschütteten gesucht, sagte der Afad-Vorsitzende Yunus Sezer vor Journalisten in Ankara.
Noch bevor zum zweiten Mal die Erde bebte, hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigt, die Städte in der stark zerstörten Provinz Hatay von Grund auf wieder aufbauen zu wollen. Man werde Hatay “in all seinen Farben wiederbeleben”, sagte Erdogan am Montag in der südosttürkischen Provinz. Er betonte erneut, dass die Regierung ab März mit dem Wiederaufbau auch in anderen Provinzen beginnen wolle.
US-Außenminister Blinken zu Besuch in zerstörter Provinz Hatay
US-Außenminister Blinken machte sich am Sonntag zusammen mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu ein Bild von der Zerstörung in der schwer vom Erdbeben betroffenen Provinz Hatay. Außerdem wolle er auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik mit betroffenen Familien zusammenkommen, erklärte das Außenministerium im Vorfeld. Bei seinem Besuch sagt Blinken weitere 100 Millionen US-Dollar (rund 93 Millionen Euro) an Hilfen zu. Damit hätten die USA nun insgesamt 185 Millionen Dollar zugesagt.