EU erklärt Abweichungen
Der Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat bei einer überraschend festgelegten Pressekonferenz am Freitag die ungleiche Impfstoffverteilung innerhalb der EU kritisiert. Einzelne EU-Staaten sollen laut Kurz Impfstoffe auf einem “Basar” sichern. Die EU-Kommission sieht das dagegen anders und stellte das in einer Reaktion umgehend klar.
Der Kommission zufolge kann es tatsächlich zu Abweichungen des ursprünglich zwischen den EU-Staaten vereinbarten Schlüssels kommen. Das hängt laut EU aber nicht daran, dass sich einzelne Staaten entgegen der Vereinbarung zusätzliche Liefermengen sichern würden. Vielmehr würden in einem „Steering Committee“, in dem alle EU-Staaten vertreten sind, konkrete Lieferungen bei den einzelnen Impfstoffherstellern fixiert. Kurz meinte mit dem „Basar“ genau dieses Komitee.
Wer also besonders viele Dosen von Pfizer und Biontech dort bestellt habe, der liege nun bei den Lieferungen voran – wer aber mehr AstraZeneca bestellt habe, der gerate ins Hintertreffen, hieß es in der ZIB um 13.00 Uhr unter Berufung auf die Kommission.
Es hänge davon ab, welches Land welche Mengen welchen Impfstoffes bestellt habe. In der EU-Kommission sei man aber weiter zuversichtlich, bis zum Herbst die erste Durchimpfung EU-weit über die Bühne zu bekommen. So habe Österreich die Möglichkeit gehabt, mehr Pfizer und Biontech zu bestellen, sich damals aber für AstraZeneca entschieden, mit dem es aktuell Lieferprobleme gibt, berichtete ORF-Korrespondent Peter Fritz unter Berufung auf informelle Informationen aus der Kommission.
Kurz vermutet Absprachen
Kurz hatte zuvor die Verteilungspolitik in der EU scharf kritisiert. Die Coronavirus-Impfdosen würden nicht wie vereinbart nach Bevölkerungsschlüssel an die Mitgliedsstaaten verteilt. Es gebe „Hinweise“ darauf, dass es zusätzliche Absprachen auf einem „Basar“ zwischen einzelnen Mitgliedsländern und der Pharmaindustrie gegeben habe.
Während Österreich bei der Verteilung der Dosen im Mittelfeld liege und bisher keinen Schaden zu beklagen habe, würden Staaten wie Bulgarien stark benachteiligt. Laut Kurz würden diese, wenn sich der Trend fortsetze, erst im späten Sommer oder Herbst mit der Durchimpfung fertig sein. Andere könnten dagegen schon im Mai fertig sein. Als Beispiel nannte Kurz, dass Malta bezogen auf die Bevölkerungszahl bis Ende Juni dreimal so viele Dosen erhalten werde wie Bulgarien. Die Niederlande bekämen bis dahin das Doppelte von Kroatien.
„Volle Transparenz“
Kurz forderte „volle Transparenz“ und faire Verteilung. Auf nationaler Ebene stimme er hier mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) überein, dass herausgefunden werden müsse, wer mögliche zusätzliche Verträge unterschrieben habe und warum vom gemeinsamen europäischen Ziel abgewichen werde, gleichmäßig zu verteilen.
Kogler war bei dem Pressegespräch nicht zugegen. Im Juni 2020 wurde von der EU beschlossen, den Impfstoff für alle Mitgliedsstaaten gemeinsam zu beschaffen. Dieser sollte pro Kopf fair auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Kurz bezeichnete das als „guten Ansatz“, den er voll unterstütze.
EU verteidigt „Steering Committee“
Der Steuerungsausschuss mit Gesundheitsbeamtinnen und -beamten – also das „Steering Committee“ – der Mitgliedsstaaten sei wichtig bei der Umsetzung der Verträge, so die Kommission. Entscheidungen in dem Board würden aber zwischen den EU-Staaten und der EU-Kommission gemeinsam vereinbart. Die EU-Kommission halte an ihrem Ziel fest, dass bis Ende des Sommers alle Erwachsenen in der EU geimpft seien, sagte ein Sprecher der EU-Behörde weiter. Die Impfstofflieferungen seien eine wichtige Komponente, aber nicht die einzige.
Österreich schöpfte Bestellungen nicht voll aus
Erst am Dienstag war bekanntgeworden, dass Österreich und mehrere weitere EU-Länder etwa nicht so viele Dosen des Impfstoffs von Moderna bestellt hatten, wie sie hätten können. Österreich schöpfte zwar sein volles Kontingent des ersten und zweiten Vertrags der EU mit Moderna aus, bei einer Zusatzoption wurde aber weniger abgerufen, wie das Gesundheitsministerium in Wien einen Bericht von „Politico“ (Onlineausgabe) bestätigte.
Der Zeitplan zeigte dem Bericht zufolge auch, dass Österreich, Portugal und Kroatien kleinere Bestellungen für die zweite Charge von Moderna-Dosen aufgaben. Der Grund: der späte Liefertermin. Wie die EU-Kommission dem ORF in Brüssel am Freitag mitteilte, seien auch die Möglichkeiten Österreichs bei Biontech und Pfizer nicht voll ausgeschöpft worden.
Weil die Kritik am Impfstoff von AstraZeneca auch in Österreich lauter wird, sagte Kurz am Freitag erneut, dass er sich mit AstraZeneca impfen lassen wolle und dass hoffentlich alle Europäerinnen und Europäer bis zum Sommer die Möglichkeit erhalten würden, zur Normalität zurückzukehren./ORF