Gesetzeseinigung gegen Hass im Netz
Die EU-Institutionen haben sich auf strengere Regeln für Internetkonzerne wie Google und Amazon geeinigt. Man habe sich auf Samstagnacht auf den Digital Services Act (DSA) geeinigt, wie EU-Kommission und Parlament mitteilten. Onlineplattformen müssen nach den neuen Regeln verstärkt gegen Hass- und Falschnachrichten und andere illegale Inhalte vorgehen.
Für die letzte Verhandlungsrunde wurde ganzen 16 Stunden gebraucht. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach anschließend von einer historischen Einigung. „Unsere neuen Regeln werden die Onlinenutzer schützen, die freie Meinungsäußerung gewährleisten und den Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnen.“ Das sei ein starkes Signal für die Menschen, Unternehmen und Länder weltweit.
Plattformen sollen unter anderem dazu verpflichtet werden, die wichtigsten Parameter ihrer Empfehlungsalgorithmen offenzulegen. Diese entscheiden auf vielen Plattformen darüber, welche Nachrichten, Videos und Produkte den Nutzerinnen und Nutzern angezeigt werden. An den meist geheimen Empfehlungsalgorithmen gibt es immer wieder Kritik. Darüber hinaus soll es mit dem DSA Einschränkungen für personalisierte Werbung geben, etwa bei Minderjährigen und bei besonders sensiblen Daten wie politischen Einstellungen.
Offline illegal soll auch online illegal bedeuten
Unter anderem soll der DSA sicherstellen, dass illegale Inhalte wie Hassrede schneller aus dem Netz entfernt, schädliche Desinformation und Kriegspropaganda weniger geteilt und auf Onlinemarktplätzen weniger gefälschte Produkte verkauft werden. Grundlegendes Prinzip ist: Was offline illegal ist, soll es auch online sein. Anbieter digitaler Dienste sollen von Rechtssicherheit und einheitlichen Regeln in der EU profitieren, wie der “orf.at” berichtete. Große Plattformen mit mindestens 45 Millionen Nutzern müssen deutlich mehr Regeln befolgen als kleinere.
Die Einigung vom Samstag muss noch einmal vom Europaparlament und den EU-Staaten bestätigt werden. Das gilt als Formsache. Der DSA könnte dann kommendes Jahr in Kraft treten. EU-Kartellamtschefin Margrethe Vestager freute sich über die Einigung. „Damit wird sichergestellt, dass das, was offline illegal ist, auch online als illegal angesehen und behandelt wird – nicht als Slogan, sondern als Realität“, schrieb sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
„Vom digitalen Mittelalter ins 21. Jahrhundert“
Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hob hervor, dass die Einigung „Rechtsschutz für Betroffene in der gesamten Europäischen Union“ bringe. „Die EU-weite Harmonisierung von Regelungen wie etwa Beschwerderechte für Nutzerinnen und Nutzer, konkrete Melde- und Überprüfungsmechanismen oder jährlich verpflichtende Transparenzberichte für die Plattformen sind wichtige Errungenschaften. Mit Abschluss der Verhandlungen beim DSA bringen wir die gültigen Regeln der EU vom digitalen Mittelalter ins 21. Jahrhundert“, so die Ministerin in einem Statement.
Österreich sei „Tempomacher für eine europäische Lösung“ gewesen. „Hass im Netz und insbesondere gezielte Desinformation machen vor nationalen Grenzen nicht halt. Sobald der DSA in Kraft tritt, wird Österreich das Gesetz an die EU-weit einheitlich geltenden Regelungen anpassen.“
„Frühjahrsputz im Internet“
ÖVP-Europaabgeordnete Barbara Thaler bezeichnete das neue Gesetz noch in der Nacht per Aussendung als „Frühjahrsputz im Internet“. „Der Handel im Internet wird fairer und sauberer“, sagte die Binnenmarktsprecherin in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Das neue Gesetz nütze Firmen wie Kunden. „Illegale Inhalte sollen keinen Platz mehr haben.“ Der DSA sei ein Meilenstein für den digitalen Binnenmarkt in Europa.
SPÖ-Digitalisierungssprecherin Petra Oberrauner begrüßte die Einigung ebenfalls: „Mit diesem Gesetz wird die digitale Souveränität der EU gestärkt und ein einheitlicher Rechtsrahmen für den digitalen Raum geschaffen. Das bringt den Nutzer*innen digitaler Plattformen und Dienstleistungen mehr Rechtssicherheit und schafft klare Regeln und Verantwortlichkeiten für die großen Plattformbetreiber!“
Auch deutsche Regierung sehr zufrieden
„Nun ist der Weg frei für einheitliche Vorgaben für soziale Netzwerke und andere Onlineplattformen in Europa“, teilte auch der deutsche Justizminister Marco Buschmann (FDP) am Samstag mit. „Diese brauchen wir, weil das Internet nicht an Landesgrenzen endet.“ Auch der deutsche Digitalminister Volker Wissing (FDP) begrüßte die Einigung als „Meilenstein für die Bürgerinnen und Bürger Europas“. „Wir gehen damit einen entscheidenden Schritt zur Vollendung des europäischen digitalen Binnenmarktes.“ Deutschlands Justizminister Buschmann betonte, das Gesetz wahre die Meinungsfreiheit auch im digitalen Raum. Morddrohungen, aggressive Beleidigungen und Aufrufe zu Gewalt seien kein Ausdruck von Meinungsfreiheit, sondern Angriffe auf den freien und offenen Diskurs.
Der deutsche Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer zeigte sich von dem Ergebnis jedoch enttäuscht. „Die Bezeichnung ‚Digitales Grundgesetz‘ verdient das neue Regelwerk insgesamt nicht, denn der enttäuschende Deal versagt vielfach beim Schutz unserer Grundrechte im Netz“, sagte Breyer. Martin Schirdewan von den deutschen Linken betonte hingegen: „Durch weitreichende Transparenzverpflichtungen öffnet der DSA die Blackbox der Algorithmen der Onlineplattformen.“ Die Deutsche Alexandra Geese von den Grünen sagte: „Europa geht damit auch in die Offensive gegen die Übermacht der Big-Tech-Unternehmen.“
Hass-im-Netz-Gesetz in Österreich bereits beschlossen
Mit dem Hass-im-Netz-Gesetz wurde Ende 2020 in Österreich bereits eine Regelung beschlossen, die Hasskriminalität im Netz bekämpft. Österreich nehme Google, Facebook und Co. mit dem Paket bereits in die Pflicht, sagte Justizministerin Alma Zadic dazu während der Verhandlungen auf EU-Ebene im Februar.