Hallo Nachbar, ich bin’s, Top 12
Wiener Wohnen muss wegen der neuen Datenschutzgrundverordnung für rund 220.000 Wohnungen die Namen auf Klingelschildern entfernen. Das führt zu Problemen – vor allem, wenn man seine Nachbarn nicht kennt.
Die neue Datenschutzgrundverordnung treibt absurde Blüten, auch in Wien.
Denn ein Mieter einer Gemeindebauwohnung hat bei der Datenschutzbehörde angefragt, warum sein Name auf einer Türklingel ersichtlich sei.
Die entschied nun: die Namen müssen weg.
Das betrifft nun freilich nicht diesen Mieter allein, sondern ganze 2000 Wohnanlagen von Wiener Wohnen mit rund 220.000 Wohnungen.
Freilich, es gibt viele gute Gründe, die Privatsphäre zu schützen, vor allem im Internet, aber das auf die Klingelschilder auszudehnen, ist doch einigermaßen seltsam.
Denn nicht nur ist der Aufwand für diese Maßnahme wahnwitzig, auch wird dadurch eine der negativen Seiten der Großstadt verstärkt: die Anonymität.
Man mag nun argumentieren, dass eine Türklingel mit dem korrekten Namen der Bewohner beschildert ist, sei in den Zeiten von Handys nicht mehr wichtig.
Man ruft halt einfach an statt zu klingeln. Aber wie soll man nun erfahren, wie die Nachbarn heißen?
Im alltäglichen Austausch, dem Erbitten von Zucker oder dem höflichen Ersuchen um das Leiserstellen der Stereoanlage spielt das zwar keine Rolle.
Wohl aber, wenn man von jemanden nur den Namen kennt, nicht aber, hinter welcher Tür er wohnt.
Am Wohnhaus der Autorin dieser Zeilen stehen seit Jahren schon datenschutzgrundverordnungskonform bloß „Top“-Nummern (das kommt von Topos, dem griechigen Wort für Ort).
Welche Schwierigkeiten sich daraus ergeben, konnte man erst jüngst auf Zetteln im Lift nachlesen.
So suchte Top 12 ein Paket, das an jemanden mit ihr unbekannten Namen abgegeben wurde.
In welchem Top der Ersatz-Empfänger wohnt, hat die Postlerin nämlich nicht vermerkt.
Nach Tagen des Wartens und des Klingelns bei verschiedenen Parteien, die alle nicht das richtige Top waren (aber teilweise selbst nach Paketen suchten), wurde die Sendung dann via Aushang im Aufzug gefunden: Ja, man habe das Paket und könne es abholen, schrieb Top 20 an Top 15. Zuvor hatte sich noch Top 19 eingeschalten, der nur bemerken wollte, dass er nichts bemerkt habe.
Top eins bis 20 haben diesen Austausch sicher mit Interesse verfolgt …
Immerhin: auch so lernt man seine Nachbarn kennen./ Heide Rampetzreiter