„Kopftuchträger unmündig und kognitiv eingeschränkt“
Susanne Schröter, Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI) und Professorin an der Universität Frankfurt, veranstaltete am 8. Mai unter dem Titel „Das islamische Kopftuch- Symbol der Würde oder der Unterdrückung“ eine Konferenz.
Sinem Yesil
Bereits kurz nach der Verkündung der Konferenz hagelte es an Kritik.
Eine anonyme Gruppe Studierender forderte sogar die Entlassung Schröters sowie die Absage der Konferenz mit der Begründung, sie würde antimuslimischen Rassismus verbreiten.
Mit dem Hashtag #schroeter_raus wurde medial eine Kampagne gegen die Initiatorin gestartet.
Der reißerische Titel der Konferenz sorgte zunächst für Unmut unter den Studierenden.
Auffälliger als der Titel war hingegen die Wahl der Referenten, für die sich Schröter entschieden hat.
Bekannte Personen wie Alice Schwarzer und Necla Kelek, welche als Kritikerinnen des Kopftuchs gelten, waren zwei davon.
Khola Maryam Hübsch, eine Befürworterin des Kopftuchs, wurde auch eingeladen.
Auf dem ersten Blick wirkt die Wahl der referierenden Personen verhältnisgleich und fundamental für einen Diskurs, der beide Seiten aufgreifen soll.
Beim zweiten Hinschauen wird jedoch deutlich, dass sich Schröter für zwei polarisierende Extreme entschieden hat. Auf der einen Seite wurde unter dem
Deckmantel der Forschungsfreiheit regelrecht rechte Hetze gegen den Islam und Muslime betrieben und auf der anderen Seite wurden stark konservative Interessen vertreten.
Aufgrund dieser Extremen war eine sachliche und auf Wissenschaft beruhende Auseinandersetzung mit der Thematik nur schwierig umsetzbar.
Die Konferenz fand im Gebäude „Normative Ordnungen“ der Universität statt.
Am Veranstaltungstag wimmelte der Saal von Journalisten.
Grund für dieses Aufsehen war nicht die Thematik selbst, um die es sich handelte, sondern viel mehr der mediale Aufruhr und die Spannungen, die sich vor der Veranstaltung entwickelten. Jeder war sich bewusst, dass dieses Thema, vor allem mit einer derartigen Konstellation der Referenten, für Reibungen sorgen würde.
Das bestätigte sich auch unmittelbar, nachdem Schröter anfing zu sprechen. Schröter sprach in ihrer Rede von patriarchalischen Verhältnissen, die in den Grundsätzen des Islam manifestiert seien.
Dabei ließ sie außen vor, dass patriarchalische Strukturen prinzipiell in allen Religionen enthalten sind und, dass Religionen für die Schaffung neuer Machtverhältnisse ausgenutzt werden.
Weiterhin bezog sie sich in ihrer Aussage selektiv auf den Islam.
Weitere Weltreligionen wie das Christentum oder Judentum wurden nicht in einen Zusammenhang mit geschlechtsspezifischen Machtverhältnissen gesetzt.
Zudem wies sie den antimuslimischen Rassismus-Vorwurf zurück und stellte diesen als verschwörungstheoretischen „Kampfbegriff“ dar.
Damit verharmloste Schröter Rassismuserfahrungen von Muslimen und drehte den Spieß um, indem sie Muslime durch die Verwendung des „Kampfbegriffes“ radikalisierte.
Die einzige Referentin, die sich auf der Konferenz gegen das Kopftuchverbot aussprach, war Khola Maryam Hübsch.
Sie sollte somit das Sprachrohr der Frauen darstellen, die selbstbestimmt ein Kopftuch tragen.
Doch auch hier fiel die Wahl Schröters auf eine Extreme.
Denn Hübsch redete als Vertreterin des fragwürdigen Ahmadiyya Muslim Jamaat, welcher als stark konservative Gemeinschaft gilt.
Hübsch, als Sprecherin dieser Gemeinschaft kann deshalb schwerlich einen Großteil derjenigen Menschen vertreten, die sich zum Islam bekennen.
Alice Schwarzer stellte ebenfalls eine der Extreme dar. Sie wird zwar gewohnheitsgemäß als Frauenrechtlerin gewertet, fiel jedoch während und nach der Konferenz mit rassistischen und sexistischen Beiträgen auf. Zitat Schwarzer: „Von Teheran bis Neukölln, der Siegeszug des politischen Islam, nicht zuletzt, dank einer falschen Toleranz“.
Neukölln ist bekanntlich der Stadtteil in Berlin, in welchem mehrheitlich Menschen mit einem Migrationshintergrund, Fluchterfahrungen und aus sozioökonomisch schwächeren Verhältnissen wohnen.
Schwarzer würdigte mit ihrer Aussage sowohl Menschen, die sich zum Islam bekennen, als auch jene, die einen Migrationshintergrund haben oder einkommensschwach sind herab, indem sie diese in einen direkten Vergleich mit einem repressiven und islamistischen Staat setzte.
Sie sprach zudem über algerische Familien folgendermaßen: „Algerische Großfamilien, das sind ja was.
Das sind drei ganze Generationen.
Das ist ein ganzer Clan“.
Mit ihrer Aussage stigmatisierte sie diese Familien und machte sie zugleich durch die Verwendung des Clan-Begriffs lächerlich, als würde es sich bei einzelnen Familien um ganze Volksstämme handeln.
Weiterhin bezeichnete sie verschleierte Frauen als „arme Geschöpfe“ und fragte sich, „was wohl unter den Tüchern sein muss“.
Frauen mit einem Kopftuch wurden während der Konferenz von mehreren Referenten als unmündig und kognitiv eingeschränkt dargestellt, da sie ihr Recht, das Kopftuch abzulegen, nicht wahrnehmen würden.
Diesbezüglich wurde die Selbstbestimmung der Frau gefordert, die das Recht haben soll, sich gegen das Kopftuch zu entscheiden.
Selbstbestimmung kann jedoch nicht nur das Ablegen des Kopftuchs bedeuten.
Das gezwungene Ablegen des Kopftuchs wäre gleichermaßen ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Frau.
Richtig wäre es, wenn eine Selbstbestimmung für alle Frauen gefordert werden würde.
Es sollte akzeptiert werden, dass sich Frauen auch selbstbestimmt für das Tragen eines Kopftuchs entscheiden können.
Frauen, die sich jedoch aus dem eigenen Willen heraus gegen ein Kopftuch entscheiden, müssen in ihrer Entscheidung ebenfalls unterstützt und gestärkt werden.
Stiller Protest gegen die Konferenz
Vor dem Veranstaltungsgebäude versammelten sich junge Frauen, um für ihr Selbstbestimmungsrecht und gegen die Konferenz zu demonstrieren.
Dabei handelte es sich um einen stillen Protest. Die Demonstrantinnen hielten Plakate hoch, welche beispielsweise mit dem Schriftzug „My body, my choice“ versehen waren. Nach der Konferenz kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Alice Schwarzer und einer der Demonstrantinnen.
Schwarzer hat während der Konferenz über das Selbstbestimmungsrecht der Frau geredet, jedoch dem Anschein nach noch nicht begriffen, was Selbstbestimmung zu bedeuten hat.
Denn direkt im Anschluss der Veranstaltung fasste sie eine Frau gegen ihren Willen an und versuchte sie mit den Worten „Ich dachte nur ein Mann darf sie nicht anfassen“ zu demütigen. Interessant ist, dass sich dieses Ereignis auf universitärem Boden abgespielt hat und die Goethe Universität Frankfurt derzeit noch keine Stellung gegen den Vorfall bezogen hat.
Religionskritik gehört in die Universitäten
Susanne Schröter und die Redner verteidigten die Konferenz ständig mit der Wissenschaftsfreiheit.
Die Freiheit der Forschung als Tarnung für rassistische Hetzpropaganda zu benutzen, fällt allerdings nicht unter die Wissenschaftsfreiheit.
Religionskritik stellt einen wesentlichen Teil der Forschungsarbeit an Universitäten dar.
Es sollte jedoch vor allen Dingen im universitären Rahmen Wert auf eine objektive und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik gesetzt werden, um antimuslimischen
Rassismus und Sexismus zu vermeiden.