Warum es in Österreich so schwierig ist, Kleinverdiener zu entlasten
Die Regierung will “kleine und mittlere” Einkommen entlasten. Doch über die Lohnsteuer wird das kaum möglich sein. Die wichtigste Steuer bleibt bei der Debatte außen vor
Die Marschrichtung steht fest. Die Regierungsklausur am Donnerstag und Freitag in Mauerbach bei Wien soll laut türkis-blauer Koalition die politische Weichenstellung für eine spürbare Steuerentlastung bringen.
Fest steht, dass es neben einem Entlastungspaket für Unternehmen auch Steuererleichterungen für Arbeitnehmer geben soll.
Besonders bei “kleineren und mittleren” Einkommen will die Regierung ansetzen.
Die meisten Menschen werden darunter eine Senkung der Lohnsteuer verstehen.
Von Regierungsseite wurde laut darüber nachgedacht, die Steuerstufen zu senken.
Der derzeitige Eingangssteuersatz beträgt 25 Prozent für Jahreseinkommen ab 11.000 Euro. Darunter fällt keine Lohnsteuer an. Zwischen 18.000 und 31.000 Euro sind es 35 Prozent. Bis 60.000 sind es 42 Prozent.
Darüber greifen drei Steuersätze bis 55 Prozent.
Schon im Wahlkampf hatte die ÖVP versprochen, zumindest die ersten drei Steuerstufen abzusenken.
Über eine Senkung der Lohnsteuer kleine Einkommen zu entlastet wird sich allerdings als schwierig bis unmöglich gestalten.
Denn die Kombination aus hohem Freibetrag bei der Lohnsteuer, einem hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigung und Beschäftigten mit vergleichsweise niedrigen Einkommen sorgt dafür, dass ein großer Teil der Menschen keine Lohnsteuer zahlt.
Laut Statistik Austria war das im Jahr 2017 bei fast einem Viertel der unselbstständig Beschäftigen der Fall. Hinzu kommt noch eine große Gruppe, die so wenig Einkommen bezieht, dass sie kaum Lohnsteuer zahlt. So verdienten zuletzt 37 Prozent der unselbstständigen Erwerbstätigen in Österreich weniger als 20.000 Euro brutto im Jahr.
Bei diesem Grenzwert zahlt ein Arbeitnehmer im Monat 37 Euro Lohnsteuer, ohne dass er Abzüge geltend macht.
Die Gruppe der Lohnsteuerpflichtigen wurde von Türkis-Blau mit dem Kinderbonus zudem bereits entlastet.
Der Bonus, 1.500 Euro pro Kind, ist in der erwähnten Rechnung noch gar nicht enthalten.
Die Zahl der Menschen, die kaum oder keine Lohnsteuer zahlen, ist durch den Bonus jedenfalls angestiegen: Wer mit dem erwähnten Jahresgehalt von 20.000 Euro brutto den Bonus auch nur zur Hälfte geltend macht, zahlt gar keine Lohnsteuer mehr.
Versicherung kostet Das bedeutet freilich nicht, dass Niedrigverdiener oder Menschen mit mittleren Einkommen, die Absetzbeträge geltend machen können, nicht hohe Abgaben entrichten müssen.
Das liegt an den Sozialversicherungsbeiträgen.
Bei einem Jahreseinkommen von 20.000 Euro brutto belaufen sich die Versicherungsabgaben auf stolze 3.000 Euro im Jahr.
Das liegt daran, dass bei der Sozialversicherung nur ein sehr kleiner Freibetrag greift.
Eine Möglichkeit wäre, die Sozialversicherungsbeiträge zu senken.
Auch darüber denkt Türkis-Blau nach. Der Ökonom Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien sieht hier durchaus Spielraum.
Dank steigender Beschäftigung und sinkender Arbeitslosigkeit wurde im vergangenen Jahr über die Arbeitslosenversicherung mehr eingenommen als ausgegeben.
Eine Möglichkeit wäre, die Freibeträge zur Arbeitslosenversicherung anzuheben, so Hofer.
Das hat Türkis-Blau bereits getan.
Bis zu monatlich 1.681 Euro fallen keine Beiträge an. Kleine Einkommen wurden hier also schon etwas entlastet.
Der Spielraum ist zudem begrenzt, weil sich den Versicherungen Geld nicht einfach so wegnehmen lässt: Die Versicherten haben ja Ansprüche auf Leistungen erworben.
Ein Weg, um hier dennoch zu entlasten, wäre laut Hofer, eine Negativsteuer auszuzahlen.
Bezieher kleinerer Einkommen könnten sich einen Teil ihrer gezahlten Versicherungsbeiträge vom Staat zurückholen.
Ein Nebeneffekt wäre, dass Teilzeitbeschäftigung finanziell interessanter wird.
Ob das angesichts der Wehklagen vieler Unternehmen über fehlende Arbeitskräfte ein gewünschter Effekt sein kann, ist fraglich.
Die wichtigste Steuer Interessant ist, dass in den Überlegungen der Regierung die wichtigste Steuer keine Rolle spielt: die Umsatzsteuer.
Die Einnahmen aus der Konsumsteuer sind höher als aus der Lohnsteuer.
Hinzu kommt, dass die Umsatzsteuer stark dazu beiträgt, dass die Steuerbelastung der Haushalte in Österreich flach ist.
Reiche zahlen zwar mehr ins System ein, weil sie mehr verdienen.
Laut einer Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo tragen Haushalte aber prozentuell eine ähnlich hohe Steuerbelastung in Österreich, und zwar unabhängig davon, wie hoch das Einkommen ist.
Zu einem großen Teil liegt das neben der Belastungen durch Sozialversicherungsbeiträge an den Effekten der Umsatzsteuer.
Ärmere Haushalte geben einen größeren Teil ihres Geldes für Nahrung und Kleidung aus.
Diese Haushalte belastet die Umsatzsteuer stärker. Wer ärmere Haushalte entlasten will, müsste hier ansetzen. Aus Österreich gibt es zu dem Thema zwar keine Studien, doch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat vor ein paar Jahren einen Plan dazu erarbeitet.
Vorgeschlagen wurde eine Senkung des Umsatzsteuersatzes um einen Prozentpunkt auf 18 Prozent.
Untere und mittlere Einkommen würden davon mehr profitieren als von einer Entlastung über die Lohnsteuer, die den ärmsten dreißig Prozent der deutschen Haushalte nichts bringt, so das DIW damals.
Warum gibt es dann weder in Regierungsreihen noch bei den Oppositionsparteien oder den wichtigen Interessenvertretern Bestrebungen, über eine breite Mehrwertsteuersenkung zu reden – und warum fehlen zu diesem Thema in Österreich Untersuchungen?
Ein Argument dürfte sein, dass eine Entlastung des Faktors Arbeit einen finanziellen Reiz für Menschen schafft, einen Job anzunehmen, sagt Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller. Einen solchen Effekt auf das Arbeitskräfteangebot hätte man bei einer Entlastung via Umsatzsteuer nicht.
Hinzu kommt, dass Unternehmen eine Senkung der Umsatzsteuer an ihre Kunden erst einmal weitergeben müssten – garantiert wäre das nicht.
Wer die Entlastung spürt Eine Steuerentlastung über den Lohnzettel spüren außerdem jene Menschen, die davon profitieren, subjektiv vermutlich stärker, als wenn bei jedem Einkauf ein paar Euro mehr bleiben, glaubt Schratzenstaller.
Sie selbst plädiert durchaus dafür, auch über eine Entlastung nachzudenken, indem der allgemeine Umsatzsteuersatz von 20 Prozent abgesenkt wird.
Im Gegenzug könnten viele der Begünstigungen für nicht lebensnotwendige Produkte wegfallen, so die Ökonomin.
Ermäßigte Umsatzsteuersätze gelten in Österreich für zahlreiche Produkte wie Tierfutter, aber auch Übernachtungen in der Hotellerie.