Wien Energie: Ludwig rechtfertigt Vorgehen
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist am Freitag als Zeuge in der gemeinderätlichen Untersuchungskommission zur Wien Energie vernommen worden. Er versicherte dabei, dass die Kreditvergaben „alternativlos“ gewesen seien.
Ludwig hatte im Sommer via Notkompetenz 1,4 Mrd. Euro für die Wien Energie bereitgestellt. Auch das sei alternativlos gewesen, beteuerte er. Diese sei durch die Dringlichkeit geboten gewesen. Die U-Kommission beschäftigt sich seit Dezember mit den Vorfällen vom vergangenen Sommer.
„Hinweis“ am Rande einer Veranstaltung
Der Auftritt Ludwigs war mit Spannung erwartet worden. Entsprechend groß war auch das Medieninteresse. Nach einer ersten Bitte Ludwigs – der Stadtchef ersuchte darum, angesichts der Temperaturen im Raum sein Sakko ausziehen zu dürfen – versicherte der Bürgermeister, dass er „voll umfassend“ Auskunft erteilen wolle.
Anschließend ging es zunächst um die Rolle, die er im Zusammenhang mit der Anteilsverwaltung der Stadtwerke spielt. Die Verwaltung der Beteiligungen obliege dem zuständigen Stadtrat Peter Hanke (SPÖ), erläuterte der prominente Zeuge. Er, Ludwig, äußere auch keine Personalwünsche im Zusammenhang mit der Besetzung von Aufsichtsräten.
Über die angespannte Situation an den Energiemärkten nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sei er durch Medienberichte informiert gewesen. Konkretere Gespräche über mögliche Liquiditätsprobleme bei der Wien Energie habe er dann am 8. und am 12. Juli mit Magistratsdirektor Dietmar Griebler bzw. mit Stadtrat Hanke geführt. Die Unterredung mit Griebler habe am Rande einer Veranstaltung stattgefunden. Es habe sich um einen „allgemeinen Hinweis“ gehandelt.
„Sehr geringen Zeitverlust in meinem Büro“
Hanke habe dann schon erläutert, dass die Möglichkeit bestünde, dass die Pipeline Nord Stream 1 kein Gas mehr liefere, berichtete der Bürgermeister. Über die Höhe einer etwaigen Unterstützung oder deren Dringlichkeit sei aber noch nicht gesprochen worden. Das kam wenig später: Am 15. Juli wurde Ludwig ersucht, das betreffende Geschäftsstück über den Rahmenkredit zu unterzeichnen. Dabei sei seine persönliche Anwesenheit im Büro nötig gewesen, schilderte der Bürgermeister die Situation. Es sei ihm an jenem Tag dargelegt worden, dass extreme Preisentwicklungen zu befürchten waren.
„Es war somit geboten, per Notkompetenz eine Entscheidung über die Kreditgewährung in der kürzest möglichen Zeit herbeizuführen“, beteuerte der Stadtchef. Auch die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des Stadtsenats habe man nicht abwarten können, sagte Ludwig. Konkret informiert über das Geschäftsstück wurde der Bürgermeister von seinem Präsidialchef. „Ich habe ihn gefragt, ob die Plausibilität gegeben ist und der Ablauf ordnungsgemäß erfolgt ist.“ Nachdem dies bejaht wurde, habe er den Akt gelesen – und unterzeichnet.
„Es hat einen sehr geringen Zeitverlust in meinem Büro gegeben“, hielt Ludwig fest. Das Geschäftsstück sei innerhalb einer halben Stunde besprochen und auf den Weg gebracht worden. Der Akt wurde laut Ludwig zuvor von fünf Stellen geprüft, nämlich den zuständigen Magistratsabteilungen für Finanzwesen sowie Rechnungs- und Abgabewesen und der Geschäftsgruppe Finanzen, der Magistratsdirektion und dem Magistratsdirektor.
„Für mich war alles umfassend, transparent und schlüssig dargestellt“, sagte Ludwig. Auch die 700 Mio. Euro – also die Höhe der ersten Tranche – waren laut dem Zeugen aus dem Geschäftsstück ersichtlich. Es sei wichtig gewesen, eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten, betonte der Bürgermeister. Auf nationaler Ebene, so beklagte er, gebe es immer noch keinen Schutzschirm.
Ob er überrascht gewesen sei, als man ihm den Akt vorgelegt habe, wollte der Vorsitzender der Kommission, Martin Pühringer, wissen. Der Bürgermeister versicherte: „Nachdem ich so lange politisch tätig bin, gibts nicht viele Dinge, die mich überraschen können.“
Ludwig hat laut eigenen Angaben auch den Koalitionspartner, also Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS), nach der Unterzeichnung informiert. Der Bürgermeister nahm heute auch zu jenen Anträgen Stellung, in denen es um die Herausgabe von Details zur Handykommunikation geht. Solche Daten würden von den Mobilfunkbetreibern nur drei Monate gespeichert, gab Ludwig zu bedenken. Der den Untersuchungsgegenstand betreffende Zeitraum wäre damit nicht mehr abgedeckt.
Beweise gegen Ludwig für ÖVP „mehr als erdrückend“
In der Causa Wien Energie sei jedenfalls „ein Schaden entstanden“, so der Parteivorsitzende der Wiener Grünen, Peter Kraus. Die Wien Energie würde sich die Entlastungen durch die „Strompreis-Bremse auf die eigenen Fahnen heften und gleichzeitig die derzeit höchsten Tarife auf dem Markt verlangen“, kritisierte Kraus in einer Aussendung.
Die Wiener ÖVP forderte, eine „überfällige Aufklärung in der gesamten Causa“. Vor allem die Beweise gegenüber dem Bürgermeister seien „mehr als erdrückend“. Es sei offensichtlich, dass dieser im September im Gemeinderat die Unwahrheit gesagt habe und die Causa habe vertuschen wollen.
„Wenn ein Bürgermeister dieser Stadt der Bevölkerung die Unwahrheit sagt, dann hat er das Vertrauen schlichtweg nicht mehr verdient“, so der Wiener ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch per Aussendung. Im kürzlich angekündigten Fernwärmerabatt sieht Wölbitsch ein „dreistes Ablenkungsmanöver“.
FPÖ kündigte Anzeige bei FMA an
Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp wiederum ortete, dass der Liquiditätsbedarf der Wien Energie bereits zu Jahresbeginn 2022 „dramatisch hoch“ gewesen sei. Der Liquiditätsbedarf habe da bereits 1,7 Milliarden Euro betragen, sagte Nepp in einer Aussendung Anfang der Woche und verwies auf Medienberichte. Wegen des kürzlich beschlossenen städtischen Schutzschirms für die Wien Energie kündigte die Wiener FPÖ zudem eine Anzeige bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) an – mehr dazu in Wien Energie: FPÖ erstattet Anzeige bei FMA.
Wichtigste Fragen für SPÖ schon beantwortet
Die SPÖ kontert, für die Opposition sei es vielleicht „ein Highlight“, dass der Bürgermeister in die Untersuchungskommission komme. Die wichtigsten Fragen seien aber schon vom zuständigen Finanzstadtrat Hanke beantwortet worden, so Thomas Reindl, der Fraktionsvorsitzende der SPÖ in der Untersuchungskommission.
Reindl verteidigte erneut das Vorgehen von Ludwig und dessen Ziehung der Notkompetenz. „Die Situation vorigen Sommer am Energiemarkt war einzigartig. Zu handeln war alternativlos“, sagte Reindl. Es sei jedoch nichts passiert und auch kein Geld verloren gegangen. Die Marktturbulenzen hätten zudem nicht nur die Wien Energie betroffen, sondern alle Energieanbieter.
Bisher wurden in der Untersuchungskommission zehn Zeuginnen und Zeugen sowie drei Auskunftspersonen befragt. Insgesamt sind noch 30 weitere Befragungen geplant – unter anderem sollen Wien-Energie-Aufsichtsräte und die frühere Finanzstadträtin Renate Brauner in die Untersuchungskommission kommen.|wien.ORF.at