Wohnbeihilfe
Das OÖ Wohnbauförderungsgesetz und seine rechtswidrigen Anspruchsvoraussetzungen
„Mit der Wohnbeihilfe soll insbesondere Menschen mit niedrigen Einkommen, kinderreichen Familien, Alleinverdienerinnen und Alleinverdienern sowie Pensionistinnen und Pensionisten ein leistbares Wohnen ermöglicht werden.“
Auch die Regelung vor 2018 war bereits nicht mit EU-Recht und dem oö Antidiskiminierungsgesetz vereinbar.
Mit Jahresbeginn 2018 wurden die Voraussetzungen noch weiter verschärft.
Diese Verschärfungen betreffen Menschen ohne österreichischer Staatsbürgerschaft wie folgt:
– In den letzten 5 Jahren, muss die ansuchende Person (vereinfacht gesprochen) 4,5 gearbeitet haben.
– Der Bezug von Notstandshilfe (der auf einer zuvor getätigten Erwerbsarbeit beruht) wird nicht mehr angerechnet.
– Es müssen Deutschkenntnisse nachgewiesen werden (formal als Zeugnis oder Diplom)
Im Rahmen der Rechtsberatung von migrare sind hunderte Personen gekommen, die durch das neue Wohnbauförderungsgesetz (gültig seit 1.1.2018) keine Wohnbeihilfe mehr erhalten.
Es wird deutlich, dass es sich nicht mehr nur um Einzelschicksale handelt.
Es handelt sich um einen systematischen Ausschluss einer ganzen Personengruppe, obwohl dieser Ausschluss den europäischen Richtlinien und dem oö.
Antidiskriminierungsgesetz widerspricht.
Die Richtlinie 2003/109/EG des Rates regelt die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen.
Welche Personen sind das?
Es handelt sich um Personen ohne österreichische, aber auch ohne EU bzw. EWR angehörende Staatsbürgerschaft.
Des Weiteren sind diese Personen mind. 5 Jahre bereits rechtmäßig in Österreich aufhältig.
Im Bereich der sozialen Sicherheit schreibt die Richtlinie vor, dass diese Personen (österreichischen) StaatsbürgerInnen gleichzustellen sind.
Die Wohnbeihilfe ist eine Leistung der Sozialen Sicherheit.
Folglich muss sie all jenen Personen gewährt werden, die mehr als 5 Jahre rechtmäßig in OÖ leben, OHNE ihnen zusätzliche Voraussetzungen aufzuerlegen.
Sie sind bei dieser Leistung mit den gleichen Rechten wie österreichische StaatsbürgerInnen ausgestattet.
Das Land OÖ kommt dieser Verpflichtung nicht nach.
Es schließt diese Personengruppe systematisch von der Wohnbeihilfe aus.
Welche Schicksale stehen hinter dieser neuen Regelung?
Pensionistin mit Sorgepflicht für Enkelkinder muss Deutschprüfung machen
Staatsbürgerschaft: Serbien
Alter:63 Jahre
Familienstand: geschieden
In Österreich seit: 1990
Arbeitsbiographie: 20 Jahre als Reinigungskraft gearbeitet, davon 16 Jahre in mind. 2 Dienstverhältnissen, erhält Pension seit 2013 (ca. 800 Euro), sie hat das Sorgerecht für ihre 2 schulpflichtigen Enkelkinder, schwere Diabetikerin (aufgrund der Medikation auch sehr vergesslich), hatte bisher Anspruch auf Wohnbeihilfe, Wohnung kostet 265 Euro, Wegfall der Wohnbeihilfe bringt sie in eine sehr prekäre finanzielle Situation
Demenzkranker 76-Jähriger muss Deutschprüfung nachweisen
Staatsbürgerschaft: Bosnien
Alter:76 Jahre
In Österreich seit: 1992
Arbeitsbiographie: jahrelang als Hilfsarbeiter gearbeitet
Weitere Information: seit seiner Pensionierung hat er Wohnbeihilfe bezogen, er hatte nach seiner Pensionierung zwei Schlaganfälle und in Folge dessen eine Demenzerkrankung, er ist in Pflegestufe 1 eingeordnet, diese Einordung ist durch seinen Pensionsbescheid festgehalten, die Abteilung Wohnbauförderung hat sein Ansuchen um Wohnbeihilfe abgelehnt, Grund ist der nicht zu erbringende Nachweis an Deutschkenntnissen, dem Ersuchen um Nachsicht bzw. um amtsärztliche Begutachtung wurde nicht nachgekommen
Geflüchteter Familienvater mit schwerer Behinderung muss Einkommen nachweisen
Staatsbürgerschaft: Russland (Teschetschenien)
Alter: 41 Jahre
Familienstand: verheiratet, 7 Kinder
In Österreich seit: 2004
Arbeitsbiographie: arbeitssuchend, geringfügig beschäftigt
Weitere Informationen: schwere Rückenverletzungen, Behinderungsgrad von 50%, ist arbeitssuchend, aufgrund seiner körperlichen Verfassung, sind allerdings nur wenige Arbeitseinsätze möglich, geringfügig beschäftigt, Notstandshilfebezieher, er ist aufgrund seiner Behinderung am Arbeitsmarkt benachteiligt und aufgrund seines Notstandshilfebezugs erhält er keine Wohnbeihilfe
Krebserkrankte Alleinerzieherin muss Einkommen nachweisen
Staatsbürgerschaft: Türkei
Alter: 40 Jahre
Familienstand: alleinerziehend, 2 Kinder
In Österreich seit: 2003, Daueraufenthalt
Arbeitsbiographie: bis 2015 immer gearbeitet (Selbstständig als Auto-Mechanikerin, Reinigung),
Weitere Information: 2015 Krebs-Diagnose, von ihrem Mann getrennt lebend, die Kinder sind 13 und 17 Jahre alt, sie hat bis April 2018 Wohnbeihilfe erhalten, für ihren neuen Antrag hat sie eine Ablehnung erhalten, da sie in den letzten 5 Jahren nicht 4,5 Jahre an Einkünften nachweisen kann
Selbst wer unserer Rechtsauslegung widerspricht und zu einer anderen juristischen Position findet, erkennt die Mängel des Gesetzes:
– Deutschkenntnisse als Integrationsvoraussetzungen im Bereich Wohnen zu verlangen, ist ein Schuss ins eigene Knie.
Wohnen ist Voraussetzung FÜR Integration. Es soll hier auch angemerkt werden, dass der Landesgesetzgeber keine zusätzlichen Integrationsleistungen verlangen kann.
Diese regelt bereits der Bundesgesetzgeber über die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt.
– Das WBF-Gesetz beschreibt eine Ausnahme für den Nachweis von Deutschkenntnissen (§6, Abs. 12) für Personen mit einem dauerhaft schlechten psychischen und/oder physischen Zustand. Dieser Zustand ist von AmtsärztInnen zu bestätigen.
Bis heute (!) ist uns noch kein Fall bekannt, in dem der Zugang zu ÄmtsärztInnen ermöglicht wurde.
Menschen, die subjektiv festhalten, dass sie nicht in der Lage sind, einen Kurs zu besuchen und mit einer Prüfung abzuschließen, erhalten NICHT die Möglichkeit, dies von amtsärztlicher Seite untersuchen zu lassen.
– Selbst Personen mit einem Nachweis eines Pflegegeldbezuges müssen durch ein amtsärztliches Gutachten ihren Gesundheitszustand begutachten lassen. Man könnte meinen, Steuergeld zu sparen und den Bescheid der PVA anzuerkennen.
– Obwohl von LH-Stv. Haimbuchner angekündigt (Unterlagen PK mit LH-Stv. Dr. Haimbuchner) wurden Lebensumstände wie Alter, Alphabetisierungsgrad, Bildungsstand etc. nicht für die Ausnahme vom Deutschnachweis im Gesetz geregelt.
Zugang zu Gefördertem Wohnraum
Wohnen gehört zu den wichtigsten Bedürfnissen von Menschen.
Jene Menschen, die aufgrund geringem Einkommen nur schwer Zugang zum privaten Wohnraum finden, werden von Bundesländer und Gemeinden unterstützt.
Neben der Wohnbeihilfe ist der gemeinnützige Wohnbau und Wohnbauförderung eine wichtige Unterstützungsleistung.
Der Zugang zu sozialem, geförderten Wohnraum wird in europäischen Richtlinien (2011/95/EU) speziell und ganz konkret geregelt.
Gemäß Unionsrecht, haben langfristig aufhältige Drittstaatsangehörige und Menschen mit internationalem Schutz die gleichen Rechte beim Zugang zu geförderten Wohnungen wie österreichische StaatsbürgerInnen.
Bisher waren diese Gruppen bereits in der praktischen Handhabung der Zugangsvoraussetzungen benachteiligt. Eine schriftliche Ablehnung wurde jedoch nicht erstellt.
Nun wurde im neuen WBFG die rechtliche Regelung für diskriminierendes Handeln geschaffen.
Die Genossenschaften führen das Gesetz aus und diskriminieren hunderte Personen beim Zugang zu geförderten Wohnraum.
Auch hier muss wieder der Schuss ins eigene Knie referenziert werden. Wohnen wird immer teurer und für viele zunehmend nicht mehr leistbar.
Wenn Zuspitzungen in einer existenziellen Frage wie dem Wohnen vermieden werden sollen, muss leistbares Wohnen möglich sein.
Dies erfolgt u.a. durch sozialen Wohnbau und dessen Nutzung für ökonomisch benachteiligte Personengruppen.
Welche Schicksale stehen hinter diesem Ausschluss?
Alleinerzieherin: keine Wohnbeihilfe, kein Zugang zu gefördertem Wohnraum
Eine Tschetschenin, seit acht Jahren in Österreich als asylberechtigte und ihre zwei jugendlichen Kinder leben in einer 45m2-Wohnung in Privatvermietung.
Der Quadratmeterpreis der angemieteten Wohnung liegt über 7 Euro.
Eine günstigere Wohnung war am Markt nicht zu finden. Bzw. spielte bei vielen Wohnungsanfragen auch die Skepsis bei der Vermietung an Menschen mit Fluchtgeschichte eine wesentliche Rolle bei der Wohnungsvergabe! Der Quadratmeterpreis von über 7 Euro ist ein Verhinderungsgrund für den Bezug von Wohnbeihilfe.
Das trifft Asylberechtigte wie ÖsterreicherInnen.
Nun kommt allerdings hinzu, dass die betroffene Frau – neben ihren Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche am privaten Sektor – keinen Zugang zu gefördertem Wohnraum erhält.
Gemeinnützige Genossenschaften lehnen ihre Anmeldung mit Bezug auf das neue WBFG ab. Was bleibt ist eine Alleinerzieherin die den Großteil ihrer finanziellen Mittel in Miete investieren muss.
Junge arbeitende, deutsch-lernende Asylberechtigte darf keine Genossenschaftswohnung mieten
Frau H. ist 33 Jahre alt. Sie ist aus Afghanistan geflüchtet und hat vor eineinhalb Jahren einen positiven Asylbescheid erhalten. Seit vier Monaten ist sie in der Küche eines gastronomischen Betriebes mit einer Vollzeitanstellung beschäftigt.
Sie zeigt großes Bemühen, Deutsch zu lernen und sich zu „integrieren“. Aktuell lebt sie in einer privaten Wohnung, gemeinsam mit ihrem Cousin.
Die Wohnung hat 60m2 und kostet (inkl. Betriebskosten) ca. 700 Euro.
Neben der hohen Mietkosten kommen Lärmbelästigung und unzureichende Ausstattung (z.B. Eingangstür aus Glas). Sie hat sich bereits bei mehreren Genossenschaften gemeldet, um eine geförderte Wohnung anmieten zu können.
Aufgrund der Anspruchsvoraussetzungen im Wohnbauförderungsgesetzes können diese ihr keine Wohnung vermitteln. D.h. sie müsste weitere 4 Jahre (ununterbrochen) arbeiten, um sich dann erst für eine Genossenschaftswohnung anmelden zu können.
Alternativen am privaten Wohnungsmarkt sind teuer bzw. wird die Vermietung an Personen mit Fluchtgeschichte nicht immer gerne gesehen.
– Eingreifen durch Landeshauptmann – Aufheben der Neuregelung bis zum Vorliegen einer Rechtsüberprüfung
– Überprüfung der Forderung auf Rechtskonformität
– bis zum Vorliegen des Ergebnisses: Einrichtung eines Härtefonds für jene Betroffene, die bereits negativ beschieden sind
Wohnen muss als Voraussetzung FÜR erfolgreiche Integration anerkannt werden
Sprachvoraussetzungen für Wohnen festzulegen ist rechtswidrig und muss aus Gesetzen verschwinden
Wer gleiche Pflichten hat, soll gleiche Rechte haben:
– In Österreich längerfristig aufhältige Menschen müssen den gleichen Zugang zur Wohnbeihilfe erhalten wie österreichische Staatsbürger_innen
– Der Zugang zu sozialem, gefördertem Wohnraum muss für rechtmäßig aufhältige Menschen der gleich sein wie für österreichische Staatsbürger_innen
Es braucht effektive, niederschwellige Beratung für Menschen die von Benachteiligung betroffen sind
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